Holzhochhäuser in Wien und London haben die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit für den urbanen Holzbau geweckt, der in immer neue Lebensbereiche expandiert.
Zu den expandierenden Bereichen des Holzbaus zählen auch mehrgeschossige Wohngebäude und Aufstockungen. CO2-Klimaziele, steigender Wohnraumbedarf und nachhaltiges Stoffstrommanagement machen den Ingenieurholzbau aus geklebten Vollholzprodukten für Wohngebäude attraktiv. Auszeichnungen wie der Deutsche Holzbaupreis dokumentieren anhand der prämierten Architekturprojekte wie nicht nur die Gebäudegrößen in den letzten Jahren stetig zunehmen, sondern auch die Bauherrenschaft stetig vielfältiger wird. Neben Privateigentümern umfasst sie heute auch Immobilienunternehmen wie Wohnungsbaugesellschaften. Nachdem viele Jahre Einfamilienhäuser die Bautätigkeit mit Holz im Bereich Wohnen bestimmt haben, entwickelt sich zurzeit ein vielfältiges Spektrum von Einsatzgebieten im innerstädtischen und stadtnahen Kontext.
Öffentlichkeitswirksam fasziniert vor allem der mehrgeschossige Wohnungsbau. Noch vor wenigen Jahren erschien es unerreichbar mit dem Bauwerkstoff Holz bis zu zehn geschossige Gebäude zu errichten. In den letzten Jahren ist international ein regelrechter Wettkampf entflammt, welche europäische Hauptstadt in den nächsten Jahren mit dem höchsten Holzhochhaus seine Skyline schmücken wird. Diese Entwicklung wurde durch innovative Hybridbauweisen mit Holz ermöglicht. Auch bei den Außenfassaden wird Holz vorwiegend dort eingesetzt, wo sich die Materialvorteile im vollen Maße entfalten können. Mehrgeschossige Gebäude oder Hochhäuser werden mit den unterschiedlichsten Materialien von Mineralputz bis zu Fassadenplatten verkleidet und ermöglichen so eine langlebige, moderne Anmutung. In London realisieren Waugh Thistleton Architects auf spektakuläre Weise nicht den höchsten, aber dennoch größten Holzbaukomplex in Europa. Die Wohnungen stehen kurz vor der Fertigstellung und demonstrieren, die Leistungsfähigkeit des Ingenieurholzbaus. Auch wenn das Material Holz nicht immer direkt mit dem zeitweise niedrigen Stahlpreis konkurrieren kann, so bieten Bauweisen mit Holz gerade im innerstädtischen Bereich viele Vorteile. Geringe Emissionen und kurze Bauzeiten durch eine industrielle Vorfertigung zählen zu den Pluspunkten, die die Wohnungsbaugesellschaft Regal Homes in ihrer Entscheidung für den Holzbau bestärkten.
Auch in Berlin spüren Architekten wie Thomas Kaden die wachsende Akzeptanz des mehrgeschossigen Holzbaus im Immobilienmarkt. Anlässlich der Verleihung des Deutschen Holzbaupreises 2015 für das mehrgeschossige Multifunktionsgebäude c13 an Kaden Klingbeil Architekten im Mai 2015 resümierte der Architekt die Entwicklung der letzten Jahre. Seit vielen Jahren entwickle er den mehrgeschossigen Holzbau kontinuierlich weiter. Während in den ersten Jahren vor allem gemeinnützige Organisationen sich für Holzbauten in Berlin interessiert hätten, zeigt nun auch ein erweiterter Kreis der Immobilienwirtschaft sein Interesse an Gebäuden aus hybriden Holzkonstruktionen.
In vielen deutschen Städten diskutieren die Stadtplanungsämter, Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienunternehmen über effiziente Formen der Nachverdichtung, um auf die wachsende Nachfrage von Wohnraum im innerstädtischen Bereich zu reagieren. Aufstockungen waren bisher eine Bauaufgabe, die vor allem für viele private Bauherren ein attraktiver Weg war, den Wohnraum an veränderte Bedürfnisse anzupassen.
Der Deutsche Holzbaupreis würdigte 2015 in Aachen die energetische Sanierung und Aufstockung eines Stadthauses von Prof. Klaus Klever mit einer Anerkennung als richtungsweisende Lösung für diese stark nachgefragte Bauaufgabe. Über dem zweiten Oberschoss wurde ein zweigeschossiger Holzbau mit zwei Lichthöfen und einem Panoramafensterband zum Straßenraum aufgesetzt. Die ergänzten Geschosse fügen sich in den Stadtraum ein und verleihen dem Wohn- und Geschäftshaus eine neue architektonische Präsenz.
Heute entstehen allerdings vielerorts Aufstockungen nicht nur von einzelnen Häusern, sondern von ganzen Siedlungen. Das Hamburger Architekturbüro Blauraum Architekten wurde im Jahr 2011 ebenfalls mit einer Anerkennung ausgezeichnet für die „Treehouses Bebelallee“, einer Aufstockung von sechs Wohnblöcken in Hamburg. Auf das vorstädtische Wohnquartier aus den fünfziger Jahren wurde in Holztafelbauweise ein hochwertiger zweigeschossiger Wohnbereich aufgesetzt. Dieses und weitere Konzepte haben für viele Investoren und Wohnungsbaugesellschaft überzeugend dargelegt, wie effizient in Holzbauweise bestehende Siedlungen nachverdichtet werden können. Inzwischen entstehen in vielen Städten weitere Nachverdichtungsprojekte.
Eine weitere, innovative Typologie des Wohnholzbaus sind Wohnheime, die mit immer neuen Formen des Zusammenlebens experimentieren. Während manche Wohnheime aus sich wiederholenden, standardisierten Modulen für Zimmer oder Appartements bestehen, bieten komplexere Wohnheime variable Wohngrundrisse und unter Umständen auch einen vielfältigen Gemeinschaftsbereich mit Aufenthalts- und Serviceräumen. Das Wohnheim der Bergischen Universität Wuppertal vom Architektur Contor Müller Schlüter (ACMS Architekten) demonstriert anschaulich, wie vor allem Wohnheime für Studierende Architekten zu immer neuen Experimenten in Farbe und Form wie auch Organisation animieren. Die Bergische Universität Wuppertal reagierte mit diesem Bauprojekt auf die starke Nachfrage nach Studierendenwohnraum in den nächsten Jahren. Mit Blick auf möglicherweise rückläufige Studierendenzahlen, sind die Wohnungen so konzipiert, dass sie zukünftig auch für den normalen Wohnungsmarkt attraktiv sind.
Für das „universal design quartier“ in Hamburg-Wilhelmsburg haben Sauerbruch Hutton Architekten aus Berlin 371 Wohneinheiten aus erweiterbaren Minimalmodulen geplant, die flexibel kombiniert werden können. Das Bauvorhaben der Dritte PRIMUS Projekt GmbH besteht überwiegend aus Einzimmerapartments, die sich über sechs Wohngeschosse erstrecken. In unmittelbarer Nachbarschaft zum IBA-Quartier 2013 entsteht ein 100 Meter langer Längsriegel mit drei kurzen Querriegeln, der im Erdgeschoss auch Gewerbe- und Gemeinschaftsflächen für das Quartier umfasst. „Nachhaltig, einfach, flexibel, inklusiv“, so die Architekten, entsteht hier eine attraktive Wohn- und Arbeitsadresse im Holzfertigbau. Auf einen „Betontisch“ als Fundament, werden fertige Module in der Konstruktionsweise Holz-Beton-Hybridbau gestapelt. Der „Betontisch“ wird als Betonmonolith sichtbar sein. Alle Wohnungen erreichen vorgefertigt die Baustelle als fertige Module, die mit einer hinterlüfteten Holzfassade bekleidet sind.