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Das Tragwerk des knapp 13 m hohen, neuen Forstamts in Freiburg besteht vollständig aus BauBuche. Davon profitiert auch das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes. (Foto: Yohan Zerdoun Photography)
Das Aussteifungskonzept des fast würfelförmigen Bauwerks mit Seitenabmessungen von 13,64 m x 14,14 m funktioniert alleine über die Gebäudehülle. Hier bilden Brüstungsträger und die ein Meter breiten Fassaden-“Stützen“ an jedem Kreuzungspunkt biegesteife Rahmen aus. (Foto: Yohan Zerdoun Photography)
Alles im Rahmen

Forstamt Freiburg

Das neue Forstamt in Freiburg scheint auf den ersten Blick ein schlichter Würfel aus Holz und Glas zu sein. Dahinter steckt allerdings ein außergewöhnliches Tragwerk aus Laubholz, dessen Besonderheit vor allem im statischen System der Gebäudehülle liegt.

Nichts liegt näher, als ein neues Forstamt in Holz zu bauen. So jedenfalls war es in Freiburg. Von Beginn an sollte das Verwaltungsgebäude ein Holzbau werden – idealerweise aus Holz des stadteigenen Forstes. Auch die räumliche und funktionale Nähe zum ebenfalls aus Holz gebauten Waldhaus, einem bereits 2008 fertiggestellten Schulungsbau für Umweltbildung, sprach für ein Gebäude aus dem nachwachsenden Rohstoff.
Darüber hinaus wollte sich die Stiftung Waldhaus, Bauherr beider Gebäude, mit dem neuen Projekt für die Förderung innovativer Einzelbauvorhaben der Holzbau Offensive Baden-Württemberg bewerben. Hierfür galt es, entsprechende Schwerpunkte zu setzen. Zwei hervorzuhebende Aspekte sind: Die Verwendung von Laubholz für die gesamte Tragstruktur und das statische System. Denn die Aussteifung des fast würfelförmigen Gebäudes, das im Grundriss 13,64 m x 14,14 m misst und 12,95 m hoch ist, erfolgt ausschließlich über die Außenwände, die als biegesteife Mehrfach-Rahmen fungieren. Im Innenraum gibt es lediglich sechs Stützen für die vertikale Lastabtragung, sodass sich alle Grundrisse frei einteilen lassen. Selbst der Erschließungskern mit Treppenhaus und Aufzugschacht hat hier keine aussteifende Funktion.

 

Aussteifendes Tragwerk der Gebäudehülle

Das viergeschossige Gebäude besteht aus einem Sockelgeschoss aus Stahlbeton, auf das drei Geschosse in Holzbauweise aufsetzen. Die wesentlichen Elemente der Tragstruktur bilden neben den sechs Innenstützen (b x h: 20 cm x 26/20 cm) aus Buchen-Furnierschichtholz (Buchen-FSH), kurz BauBuche, die Außenwände mit drei vertikalen Riegeln (b x h: 100 cm x 10 cm) pro Seite, die als breite, wandartige Stützen wirken, sowie jeweils einem horizontalen Brüstungselement (h x b: 88 cm x 10 cm) pro Ebene. Letztere sind Aussteifungselement und Deckenüberzug in einem. Horizontal- und Vertikalriegel sind dabei aneinander vorbeigeführt und nicht miteinander verschränkt, wohl aber in den Kreuzungspunkten miteinander verbunden. In ihrer Gesamtheit bilden die „Stützen“, die durch Stabdübel mit den Riegeln verbunden sind, an den Knotenpunkten biegesteife Rahmenecken aus, und zwar in Reihung. 56 Stabdübel aus Stahl sowie 39 Schrauben zur Lagesicherung mussten die Zimmerleute pro Knotenpunkt, beispielsweise im 2. OG, in die hochfeste BauBuche setzen.

Durch den Einsatz von BauBuche in Kombination mit den Stabdübel-Verbindungen wird eine extrem hohe Steifigkeit der Knotenpunkte erreicht. Das ermöglichte es, auf die Diagonalen eines Fachwerks zu verzichten. Mit dieser ‘Super-Structure’ waren außerdem keine Innenwände zur Aussteifung erforderlich und auch die Gebäudeecken konnten stützenfrei bleiben. Das brachte sowohl im äußeren Erscheinungsbild als auch in den Innenräumen eine hohe ästhetische Qualität mit sich; etwa dort, wo die stützenfreien Über-Eck-Fenster eine raumerweiternde Wirkung entfalten und großzügige Ausblicke erlauben.

Isometrie des Tragwerks ohne Darstellung der Deckenrippen (Bildquelle: Ingenieurbüro Wirth Haker)

Hohe Stabilität der Rippendecken

Eine weitere Besonderheit des Forstamtsgebäudes liegt im Deckentragwerk: Hier haben die Ingenieure sehr schlanke Rippendecken aus BauBuche gewählt, die die Lasten im Innenbereich über zwei deckenintegrierte Unterzüge auf die sechs Stützen ableiten. Die Rippendecken-Elemente bestehen aus 4 cm dicken BauBuche-S-Platten und 8 cm x 16 cm großen und bis zu 4,72 m langen, mit der Platte verschraubten und verklebten Rippen, ebenfalls aus BauBuche.

Für einen guten Schallschutz sorgt schließlich der Deckenaufbau mit einer 8 cm hohen Kiesschüttung und einer 4 cm dicken Trittschalldämmung, ergänzt durch eine Heizestrichschicht von 6 cm plus Bodenbelag.

Grundriss mit Rippendecken, die zu den Unterzügen auf den 2 x 3 Innenstützen spannen. (Zeichnung: Ingenieurbüro Wirth Haker)

Kostenplan mit Spenden und Förderungen erreicht

Die Bauherrin ‘Stiftung Waldhaus’ erhielt neben einem Baukostenzuschuss der Stadt Freiburg Mittel aus dem Klimaschutzfonds der Stadt, eine Privatspende sowie eine Förderung von 200.000 Euro aus dem Holzinnovativprogramm (HIP) von Baden-Württemberg.

Der Neubau lag mit rund 2,1 Millionen Euro im Kostenplan. Der Zeitplan dagegen musste Corona bedingt angepasst werden. Mittlerweile ist der Einzug ins neue Forstamt aber geschafft, und die Anlaufstelle für alle Anliegen rund um den Wald hat die Arbeit im Herbst 2022 aufgenommen.
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Die ‚Super-Structure‘ der tragenden Außenwand-Mehrfach-Rahmen, ermöglichte auch stützenfreie Gebäudeecken. Über-Eck-Fenster bieten großzügige Ausblicke und lassen viel Tageslicht ins Gebäudeinnere. (Foto: Yohan Zerdoun Photography)
Die sechs Innenstützen spannen den zentralen Raum der Erschließungszone aus Treppe und Flur auf. So bleibt für die restlichen Flächen eine freie Grundrisseinteilung. Die sichtbar belassenen Rippendecken wirken auch als gestaltendes Element. Zusätzlich strukturieren die unten überstehenden Unterzüge den Raum optisch. (Foto: Yohan Zerdoun Photography)
Vorgefertigte Mehrfach-Rahmen aus drei Fassaden-“Stützen“, Brüstung und Unterzug werden geschossweise montiert. (Foto: Elztal Holzhaus GmbH)
Montage der vorgefertigten Rippendecken-Elemente, die von den Unterzügen der Außenwände zu den deckengleichen Unterzügen der beiden Mittelachsen spannen. (Foto: Elztal Holzhaus GmbH)

Projektdaten im Überblick:

Bauvorhaben: Neubau Forstamt mit Nutzungserweiterung des Waldhauses, D-79100 Freiburg, www.freiburg.de/forstamt
Bauzeit: März 2021 bis August 2022
Baukosten: 2,1 Mio. Euro
Bauherr: Stiftung Waldhaus, D-79100 Freiburg, www.waldhaus-freiburg.de

Architektur: stocker . dewes architekten bda, D-79117 Freiburg, www.stocker-dewes.de
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Wirth Haker, D-79100 Freiburg, www.ing-wh.de
Ausführendes Holzbau-Unternehmen: Elztal Holzhaus GmbH, D-77978 Schuttertal, www.elztalholzhaus.de
Brandschutzplanung: bauart Konstruktions GmbH + Co. KG, D-81925 München, www.bauart-ingenieure.de