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Das umgebaute und sanierte Bahnhofsgebäude des ehemaligen Güterbahnhofs von Remagen beherbergt in seiner knapp 50 m langen und 10 m breiten Halle nun das Ingenieurbüro Pirmin Jung. Es bietet nicht nur viel Platz im Innern, sondern ist auch zentral gelegen. (Foto: Dominik Ketz Photography)
Nächster Halt: Pirmin Jung

Aus Alt mach Neu: Umgenutzter Güterbahnhof dient nun als neuer Firmensitz

Früher wurden hier Waren verladen. Heute wird in der historischen Kulisse des ehemaligen Güterbahnhofs Remagen konstruiert und konzipiert. Der neue Firmensitz von Pirmin Jung kombiniert einen energetisch optimierten Bestand mit Einbauten aus Holz und Glas und einer Haustechnik auf dem neuesten Stand.

Wenn ein auf den Holzbau spezialisiertes Planungs- und Ingenieurbüro den eigenen Firmensitz nicht selbst errichtet, sondern lieber in einen denkmalgeschützten Bestandsbau zieht, dann gibt es gewichtige Gründe für diese Entscheidung. Bei der Pirmin Jung Deutschland GmbH sprach vor allem die gewünschte Lage gegen einen Neubau ganz in Holz, wie es ursprünglich geplant war. Das Unternehmen wollte nicht ins abseits gelegene Gewerbegebiet von Remagen ziehen, doch nur dort gab es freie Grundstücke. Am Ende entschied sich das Ingenieurbüro dafür, das 63 m lange, 10 m breite und 6,10 m hohe Bahnhofsgebäude des ehemaligen Güterbahnhofs der Stadt mit seiner fast 100-jährigen Geschichte für die eigenen Zwecke umzubauen. Dabei erkannten die Ingenieure die Chance, den Charme dieses Bestandsbaus für sich zu nutzen.

Die vielen unterschiedlich geformten Fassadenhölzer sorgen mit ihrem Welleneffekt für eine lebendige Fassade. (Foto: Dominik Ketz Photography)
Die historische Waage im Eingangsbereich ist Reminiszenz an die ehemalige Nutzung des Gebäudes. (Foto: Dominik Ketz Photography)

Energetische Sanierung mit Holz

Mit der Umnutzung in ein Bürogebäude ging eine Sanierung und energetische Optimierung des Bestands bzw. der Gebäudehülle einher. Im Zuge dessen legten die Handwerker das Mauerwerk im Gebäudeinneren zunächst komplett frei. Sämtliche Bekleidungen und der Bodenbelag wurden entfernt, die Fenster aus- und die Haustechnik zurückgebaut, und zu guter Letzt der Windfang sowie der quaderförmige Anbau am Kopfende abgerissen. Zum Schluss stand nur noch der Rohbau.

Die sich anschließende energetische Sanierung erfolgte vorwiegend mit Holz. Um die rustikale Optik mit Sichtmauerwerk und offenem Dachstuhl im Inneren zu erhalten, kam eine Außendämmung in Form von vorgefertigten Holzrahmenbau-Elementen zum Einsatz. Als Fassadengestaltung dienen mehr als ein Dutzend verschieden gefräste Fassadenhölzer. Sie bilden eine gleichmäßige Wellenbewegung und sind in einem bestimmten Rhythmus aneinandergereiht. Um das Wellenbild nicht zu unterbrechen, läuft die Holzwelle auch vor den Fenstern durch. Dabei variieren die Abstände der Fassadenhölzer in Abhängigkeit davon, ob die Hölzer vor Fenstern angeordnet sind oder vor geschlossenen Wandbereichen. Im Innern hat man das Gebäude mit einem Raum-in-Raum-System an die Erfordernisse eines Ingenieurbüros angepasst, ohne das historische Flair des denkmalgeschützten Bauwerks aufzugeben.

Das gereinigte Mauerwerk blieb als Sichtmauerwerk bestehen. In Kombination mit dem historischen Dachstuhl, den Raumboxen und den übrigen Büromöbeln entfaltet das Gebäude seinen alten Charme neu. (Foto: Dominik Ketz Photography)
Die Holzpfosten zur Auflagerung der Fußpfette stehen auf konsolenartigen Steinen, die den oberen Abschluss der in die Außenwände integrierte Stützen, sogenannte Pilaster, bilden. (Foto: Dominik Ketz Photography)
Systemschnitt Dachkonstruktion mit Außenwänden: Pfettendach mit First-, Mittel- und Fußpfette in Kombination mit einem Sprengwerk zur Überbrückung der Spannweite von 10 m. (Zeichnung: PIRMIN JUNG Deutschland)

Dach mit zwei Dämmebenen und Photovoltaik

Der historische Dachstuhl war außergewöhnlich gut erhalten und noch ausreichend tragfähig, wie die Nachberechnung zeigte. Diese erfolgte vor dem Hintergrund, dass das Bestandsdach nicht nur eine zweite Dämmebene erhalten sollte, sondern auch Photovoltaik-Elemente. So konnte das Dachtragwerk unverändert bleiben und stellt darüber hinaus einen der optischen Höhepunkte im Gebäudeinneren dar.

Die historische Dachkonstruktion hatte ursprünglich nur aus Sparren, Holzschalung, Dachpappe und einer Schieferdeckung bestanden. Im Zuge der Sanierung ließ Pirmin Jung das Dach jedoch komplett neu aufbauen. Dabei wurden die Gefache zwischen den Sparren mit Mineralwolle ausgefüllt (Zwischensparrendämmung) und der Dachaufbau darüber mit Dachschalung, mehrlagigen Bitumendachbahnen, Aufdachdämmung sowie einer Trapezblecheindeckung komplettiert, auf die dann außerdem eine Photovoltaik-Anlage aufsetzt.

Unterhalb der Sparren zogen die Handwerker eine Dampfbremse ein und vervollständigten den Aufbau mit einer Unterkonstruktion aus Trockenbauprofilen, einer Lage Mineralwolldämmung, Gipskartonplatten und akustisch wirksamen, abgehängten Holzwolle-Leichtbauplatten. Bis auf die Firstpfette blieb die Tragkonstruktion sichtbar und wird mit Strahlern zusätzlich ins rechte Licht gerückt, ohne dass die Energieeffizienz darunter leidet.

In Kombination mit dem sichtbaren Backsteinmauerwerk, dem historischen Dachtragwerk im Inneren und den äußeren Holzbaukomponenten ist ein stimmiges Gesamtbild entstanden, das Alt und Neu harmonisch miteinander verbindet. Holzfassade und Dachkonstruktion sind außerdem komplett getrennt rückbau- und recycelbar.

(Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe)

Detail-Querschnitt durch das sanierte, 6,10 m hohe Gebäude (Zeichnung: Herres&Pape)
Kopfbänder in Längswandebene sowie untern den Mittelpfetten sorgen für kürzere Spannweiten der Fuß- und Mittelpfetten zwischen den Auflagerpunkten und damit auch für geringere Durchbiegungen. (Zeichnung: Herres&Pape)

Projektdaten im Überblick:

Bauherr:
PIRMIN JUNG Deutschland GmbH, D-53424 Remagen, www.pirminjung.de

Architektur (Planung und Realisierung Innenausbau):
Herres & Pape Architekten PartgmbB, D-54528 Salmtal / Salmrohr (Eifel), www.herresundpape.de

Architektur (Planung und Realisierung Fassade und Außenraum):
Mertens Architekten BDA, D-53474 Bad Neuenahr, www.mertens-architekt.de

Tragwerksplanung:
PIRMIN JUNG Deutschland GmbH, D-53424 Remagen, www.pirminjung.de

Holzbau:
Holzbau Kappler GmbH & Co. KG, D-56412 Gackenbach-Dies, www.holzbau-kappler.de

Raumboxen:
Holzbau Stoffel GmbH, D-54518 Dreis, www.holzbau-stoffel.de

BGF: 1.232,90 m2

BRI: 4.670,13 m3

Erreichter Energiestandard: KfW 70 (Halle/Büro) und KfW 55 (Wohnbereich)

Heizwärmebedarf: Büro: 0,247 W/(m2K), Wohnbereich: 0,231 W/(m2K)

Bauzeit: Juli 2019 bis Juli 2020

Auszeichnungen:

  • Holzbaupreis Eifel 2020
  • Bundeswettbewerb „HolzbauPlus 2020“
Das Mauerwerk des Bestandsgebäudes wurde komplett freigelegt, die alten Fenster und der Bodenbelag entfernt, so dass am Ende nur noch der Rohbau stand. (Foto: PIRMIN JUNG Deutschland)
Das Bestandsgebäude zwischen Bundesstraße B9 und Gleisen vor dem Umbau. Der Kopfbau wurde im Zuge des Umbaus abgerissen. (Foto: PIRMIN JUNG Deutschland)