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Ein Eingriff in die Bausubstanz des unter Denkmalschutz stehenden mittelalterlichen Schlosses von Bad Bergzabern war nicht erlaubt. Entstanden ist auf einer Fläche von 8,60 m x 12,50 m eine selbsttragende Konstruktion, die auch den Innenraum gestaltet. Licht fällt sowohl über die großzügigen Oberlichter als auch über die breite Fensterfront des Eingangsbereichs ins Innere des Saals. (Foto: Daniel Vieser)
Eingefügt zwischen den hohen Schlossmauern ermöglicht die über die ganze Breite des Neubaus reichende Fensterfront einen hellen Innenraum. Hier ist auch der Eingang integriert. (Foto: Daniel Vieser)
Festsaal im Doppel-Zick-Zack

Erweiterungsbau mit filigranem Tragwerk

Ein Neubau für Versammlungen und Feste nimmt seit Sommer 2017 einen Großteil des Innenhofes des mittelalterlichen Schlosses von Bad Bergzabern ein. Die Ökumenische Sozialstation Annweiler hat ihn mit einem filigranen Tragwerk aus Buchenfurnierschichtholz realisiert. Eingepasst zwischen die Schlossmauern ergänzt der moderne Anbau die alte Bausubstanz dezent und doch mit neuem Schwung.

Die Ökumenische Sozialstation Annweiler, die im Schloss von Bad Bergzabern (Rheinland Pfalz) untergebracht ist, erfreut sich seit Sommer 2017 an ihrem neuen Festsaal im Innenhof des denkmalgeschützten Gebäudes. Der Ergänzungsbau fügt sich unauffällig zwischen den Schlossmauern ein und ist als statisch unabhängige, also selbsttragende Konstruktion ausgebildet. Dies war Vorgabe des Denkmalschutzes, um keine Kräfte aus dem Neubau in die Mauern des Bestands einzuleiten.

Gesucht: Das richtige Material für ein selbsttragendes, filigranes Tragwerk

Dass die 8,60 m breite, 12,50 m lange und rund 4,25 m hohe Erweiterung als Holzbau realisiert werden würde, stand schon früh fest, da man aufgrund der beengten Platzverhältnisse vor Ort den hohen Vorfertigungsgrad dieser Bauweise nutzen wollte. So spielten die Ingenieure den Entwurf der Architekten mit verschiedenen Tragwerksvarianten aus Holz durch; am Ende fiel die Wahl auf Buchen-Furnierschichtholz. Wegen seiner hohen Dichte ist es sowohl hochtragfähig als auch sehr formstabil, was eine Ausführung mit besonders schlanken Querschnitten ermöglichte. Gerade das stellte bei einem kleinen Saal wie diesem ein entscheidendes Kriterium dar. Und auch die Brandschutzanforderung von F30 ließ sich leicht über entsprechend größere Bauteilabmessungen (Heißbemessung) der Träger und Stützen erfüllen.

Isometrie des Tragwerks (Zeichnung: Holzbau Wissing)

Festsaal der Ökumenischen Sozialstation Annweiler in Bad Bergzabern (Foto: Hannsjörg Pohlmeyer)
Begegnungsstätte mit viel Tageslichteinfall durch Fensterfront und Oberlichter. (Foto: Hannsjörg Pohlmeyer)

Konstruktion nutzt statisch effektive Dreiecksform

Die Konstruktion des Festsaals besteht aus fünf sehr schmalen Stahlrundstützen an der links vom Eingang liegenden Längsseite des Raumes – hier war Stahl die Wahl, weil eine der Stützen vor einem der schmalen Sandsteinfenster des Bestandes steht –, und an der gegenüberliegenden Seite aus einer Reihe von V-förmigen Stützen aus Buchen-Furnierschichtholz (b/h = 12 cm x 20 cm). Letztere stehen so nebeneinander, dass die Stützenköpfe mit denen der jeweils benachbarten V-Stütze zusammentreffen und so eine Art Ziehharmonika-Figur entsteht, die den großen Vorteil einer in Längsachse sehr gut aussteifenden Wirkung hat.

Dreischichtplatten schließen das Dachtragwerk oben ab. Rahmenkonstruktionen bilden die drei großen Oberlichter aus. (Zeichnung: Holzbau Wissing)

Das Prinzip der fortlaufend im Zick-Zack liegenden Träger wurde auch für die tragende Ebene des Daches angewendet. Dabei liegen die Spitzen der Zickzack-Linie der Dachdecke auf den Spitzen der Zickzack-Linie, die die V-Stützen bilden, auf. Auch hier konnten die daraus entstandenen Dreiecksformen statisch optimal genutzt werden, denn gerade in der Dachebene war es ideal, die Aussteifung bereits über die 40 cm hohen und nur 8 cm breiten Buchen-Furnierschichtholz-Träger zu erreichen und nicht – wie sonst häufig der Fall – erst über die aussteifende Wirkung einer aufgeschraubten Holzwerkstoff-Platte.

Das Dach sollte zudem Oberlichter erhalten, die für eine aussteifende Scheibe unzuträglich groß gewesen wären. Mit dem gewählten Dachtragwerk ließen sie sich unabhängig von diesem einbauen.

Mit wenigen Mitteln ein Schmuckstück geschaffen

Die neue Ökumenische Sozialstation erfreut sich großem Zuspruch. Die feingliedrige Architektur mit ornamentalem Charakter in Kombination mit viel Tageslichteinfall dank Fensterfront und Oberlichtern macht den Raum zu einer Begegnungsstätte, wie sie sich die Bauherrin gewünscht hat: Modern, offen und ein Passe-partout für alle Festlichkeiten, Versammlungen und sonstigen Events.

(Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe)

Die Spitzen des ziehharmonikaartig angelegten Dachtragwerks ruhen auf den korrespondierenden Spitzen der V-Stützen. Mit 8 cm Breite sind die 40 cm hohen Dachträger extrem schlank, aber dennoch hoch tragfähig. In dieser Anordnung sorgen sie auch gleichzeitig für die Aussteifung. (Foto: Hannsjörg Pohlmeyer)
Möglich wurde das begrünte Flachdach mit großen Oberlichtern durch das selbsttragende und sich selbst aussteifende Dachtragwerk darunter. (Foto: Holzbau Wissing)
Die später in die Nuten der schmalen Dachträger-Unterseiten eingelegten LED-Lichtbänder unterstreichen die architektonische Wirkung der filigranen Konstruktion. (Foto: Hannsjörg Pohlmeyer)
(Foto: Hannsjörg Pohlmeyer)

Projektdaten im Überblick:

Bauvorhaben:         
Festsaal der Ökumenischen Sozialstation Annweiler in Bad Bergzabern

Bauweise: Ingenieurholzbau

Baujahr: 2017 

Baukosten (brutto): ca. 250.000 Euro

Nutzfläche: 107,5 m2

Bauherrin:
Ökumenische Sozialstation Annweiler am Trifels – Bad Bergzabern e.V.,
 

Architektur:                    
architekturbüro ruser + partner mbb
www.ruserundpartner.de

Tragwerksplanung:      
Haag Ingenieure
www.haag-ingenieure.de

Holzbau:
Zimmergeschäft & Sägewerk Wissing GmbH
www.holzbau-wissing.de

Abbund:
Pollmeier Massivholz GmbH & Co.KG
https://www.pollmeier.com/