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Die neue Bike-and-Ride Mobilitätsdrehscheibe am Bahnhof der Stadt Eberswalde. Die Gebäude“hülle“ bzw. Gebäudeeinfassung des Fahrradparkhauses bilden geneigte Brettschichtholz-Stützen, die sich an den Ebenen der Decke und des Daches kreuzen und dadurch ein rautenförmiges Raster erzeugen. (Foto: Michael O´Ryan)
Das durchgängige, durch die schräggestellten und gekreuzten Stützen erzeugte Rautenraster der Fassadenkonstruktion wird einzig bei den Öffnungen der Ein- und Ausfahrten über Sprengwerke aufgelöst. (Foto: Michael O´Ryan)

Konstruktion als Fassadengestaltung für Fahrradparkhaus

In Brandenburg verkörpert ein markanter Objektbau, ein Fahrradparkhaus, den Wandel von Bauwesen und Mobilität. Er zeigt mit dem innen wie außen sichtbaren Tragwerk die formale Gestaltungskraft der unmittelbaren Materialität des Holzes. In der Verbindung von Konstruktion und Fassadengestaltung ist es den Architekten gelungen, das Bauwerk mit hohen städtebaulichen Qualitäten in das urbane Bestandsgefüge zu integrieren.

Aus der Veränderung im Mobilitätsverhalten hat die Stadt Eberswalde nordöstlich von Berlin einen Bedarf an Zweirad-Parkraum abgeleitet. Das neue Fahrradparkhaus am Bahnhof trägt dem Wechsel vom PKW zum Fahrrad bzw. auf die Schiene Rechnung. Die Gründung des 35 m langen, 17 m breiten und 7,50 m hohen, zweistöckigen Fahrradparkhauses basiert auf umlaufenden Streifenfundamenten aus bewehrtem Stahlbeton mit einer 15 cm hohen Aufkantung. Letztere bildet das Auflager für die darauf platzierte Konstruktion aus vorgefertigten Brettschichtholz-Stützen und -Trägern aus dauerhaftem, unbehandeltem Lärchenkernholz. Dazu passt das allseitig mit 3,26 m weit auskragende Dach, das die Fassade vor dauerhaften Feuchteeinträgen bewahrt.

Das allseitig mit 3,26 m weit auskragende Dach bewahrt die Fassadenkonstruktion vor dauerhaften Feuchteeinträgen. (Foto: Michael O´Ryan)

Rautenförmiges Stützenraster

Die Gebäudehülle des Fahrradparkhauses besteht aus einem umlaufenden Raster aus sichtoffenen Brettschichtholz-Stützen, die sich an den Ebenen der Decke und des Daches rautenförmig kreuzen. Deren Anschluss auf dem Stahlbetonsockel erfolgte über eingeschlitzte Bleche aus rostfreiem Stahl und Stabdübeln. Je Stützenfuß waren vier bis sechs Betonbohrungen erforderlich, wobei ein etwaig notwendiger Höhenausgleich mit Distanzklötzen erfolgte. 

Die Brettschichtholz-Stützen tragen nicht nur die Vertikallasten des Bauwerks, sondern leiten ebenso die Horizontallasten der Decken- und Dachscheiben in die Fundamente ab. An den Stützen montierten die Zimmerer die Deckenkonstruktion der Parkebene. Sie besteht aus fassadenparallelen Längsunterzügen und Brettschichtholz-Deckenbalken. Diese lagern einerseits an den Rähmen, andererseits auf den Stahlbetonwänden der Rampe. 

Anschluss-Details der geneigte Brettschichtholz-Stützen, die sich auf Höhe des Parkdecks kreuzen und an den fassadenparallelen Unterzügen angeschlossen sind. (Foto: Michael O´Ryan)
Der Anschluss der vorgebohrten Brettschichtholz-Bauteile in den Knotenpunkten erfolgte mit Dübeln und Passbolzen. (Foto: Zimmerei Thielke)
Die Brettschichtholz-Träger für die Decke der Parkebene wurden zwischen die fassadenparallelen Längsunterzüge und die Stahlbetonwand eingehängt und später mit einer Lage Baufurnier-Sperrholzplatten zu einer Balkendecke gefügt. (Foto: Leitplan Architekten)

Dach auf sechslagigem Balkenrost

Die kraftschlüssige Verbindung der Rauten-Träger an die Brettschichtholz-Randunterzüge erfolgt mit Passbolzen, Stabdübeln und Einlassdübeln, die in vorgebohrte Fräsungen hineingetrieben wurden. Die Deckenbalken hängten die Zimmerer abschnittsweise über Hirnholzverbinder zwischen die Rähme. Auf diese Balkenlage wurden Baufurnier-Sperrholzplatten (BFU) als Holzdecke verlegt. Über Nut und Feder an den Stößen miteinander verbunden, bilden sie eine statisch wirksame Scheibe aus, die die Horizontallasten der Decke aufnimmt und diese über die Brettschichtholz-Stützen ableitet. Beim 1.018 m² großen Flachdach wiederholt sich dieser Aufbau mit einer Lage BFU-Platten, die Konstruktion in Längs- und Querrichtung aussteift. Die Sperrholzplatten schraubten die Zimmerer auf einen vom Planungsbüro ifb frohloff staffa kühl ecker konzipierten, sechslagigen Trägerrost aus Brettschichtholz-Balken. Dabei wurden die Balken statisch wirksam kreuzweise gestapelt und verschraubt, wobei in den Bereichen hoher Querkräfte die Lücken mit Futterhölzern zur Schubübertragung geschlossen wurden.

Isometrie des Fahrradparkhauses. (Zeichnung: ifb frohloff staffa kühl ecker)
Auf die Dachkonstruktion, ein kreuzweise gestapelter und verschraubter sechslagiger Gitterrost aus Brettschichtholz-Balken, wurde später ebenfalls eine Lage Baufurnier-Sperrholzplatten als Dachscheibe aufgebracht. (Foto: Zimmerei Thielke)
Die an den Dachüberständen in ihrer Länge vom Dachrand zur Fassade bzw. von oben nach unten abgestuften Brettschichtholz-Balken lassen die sechslagige Dachkonstruktion in den überstehenden Bereichen leicht erscheinen. (Foto: Michael O´Ryan)
Das durchgängige, durch die schräggestellten und gekreuzten Stützen erzeugte Rautenraster der Fassadenkonstruktion wird einzig bei den Öffnungen der Ein- und Ausfahrten über Sprengwerke aufgelöst. (Foto: Michael O´Ryan)

Sprengwerke an den Ein- und Ausfahrten

Die Aussteifung des Zweigeschossers erfolgt über die Lärchenholz-Rautenstützen, die Decken- und Dachscheibe sowie über die Stahlbetonwände der Rampe. Das durchlaufende Raster der Rautenstützen wird einzig bei den Öffnungen der Ein- und Ausfahrten über Sprengwerke aufgelöst, welche die obige Tragwerkslast über schräg eingesetzte Streben, die Sprengstützen, in die Fundamente ableiten. Auf diese Art werden sowohl die horizontalen als auch die vertikalen Kräfte aufgeteilt, wodurch große Felder stützenfrei überspannt werden können. Das Fahrradparkhaus ist der Gebäudeklasse 3 zugeordnet, woraus die Ausführung sämtlicher tragenden und aussteifenden Bauteile in der Brandschutzklasse ‚feuerhemmend‘ resultierte. 

Marc Wilhelm Lennartz, St. Goar

Bautafel:

Bauherrschaft: Stadt Eberswalde, 16225 Eberswalde, www.eberswalde.de

Baukosten (KG 300 und 400): 2,2 Mio. Euro brutto 

Architektur, Entwurfsplanung: Leitplan GmbH, 10715 Berlin, www.leitplan-gmbh.com

Holzbau Abbund, Montage: Zimmerei Thielke GmbH & Co.KG 15926 Luckau, www.zimmerei-thielke.de 

Werkplanung Holzbau: Holzbauservice Bohn, 45711 Datteln, www.ib-bohn.de

Statik, Tragwerksplanung: ifb frohloff staffa kühl ecker Beratende Ingenieure PartG mbB, 12161 Berlin, www.ifb-berlin.de


Kennzahlen:
Bruttogrundfläche (BGF): 1.290 m²
Fahrrad-Stellplätze: 604