Das als Innovationsfabrik 2.0 bezeichnete fünfgeschossige Bürogebäude steht im Technologiepark von Heilbronn und ist schon von weitem gut sichtbar. Sein helles Holztragwerk aus geschosshohen Fachwerkkonstruktionen tritt ornamenthaft hinter einer vorgehängten Glasfassade in Erscheinung und bestimmt den hohen Wiedererkennungswert des freistehenden Quaders. Herzstück des Holzhybridbaus ist das zentrale Atrium, das über die gesamte Gebäudehöhe reicht. Entsprechend gruppiert sich das Raumprogramm rund um diese zentrale ‚Halle‘, über die auch alle Büroräume erschlossen werden.
Der Neubau ist ein Haus mit vielen ‚kommunikativen Begegnungszonen‘ und daher mit hoher Transparenz. Die Haupttragstruktur des etwa 20 m hohen Bürobaus, der auf einer Grundfläche von rund 32 m auf 32 m steht, bildet ein Holzskelett aus Brettschichtholz-Stützen und -Trägern in Kombination mit Holz-Beton-Verbund-Decken und Brettsperrholz-Wänden. Das fachwerkartige Tragwerk der Gebäudehülle bilden V-förmige Fassadenstützen aus Brettschichtholz, eingefasst von einer Brettschichtholz-Schwelle und -Rähm. Sie stellen die Gebäudeaussteifung sicher und leiten die Vertikallasten über die Streben in die Fundamente ab. Die Strebenpaare sind jeweils am Stützenkopf und -fuß über Schlitzbleche verbunden. Dabei galt es sicherzustellen, den Druckkontakt Geschoss über Geschoss exakt auszuführen. Die Entwicklung der Knotenpunkte folgte dem Ziel, einen Großteil der auftretenden Kräfte über die Kontaktflächen als Holz-Holz-Verbindungen durchzuleiten, woraus die V-Form der Stützen mit ihrer unikaten Optik resultierte.
Die vorgefertigten Holz-Beton-Verbund-Deckenelemente basieren auf einer doppelten Brettschichtholz-Balkenlage. Den unterseitigen Abschluss zwischen den Balkenlagen bilden zementgebundene Holzwolle-Verbundplatten mit Akustikeinlage. Oberseitig erhielten die Balken eine Lage aus OSB-3-Platten. Gemeinsam mit den Randbalken der Deckenelemente dient die OSB-Lage als verlorene Schalung für den auf der Baustelle aufgebrachten Beton. Der kraftschlüssige Verbund zwischen Holz und Beton erfolgt über Kerven, die in die Brettschichtholz-Balken eingefräst wurden. Der im Verbund aufgebrachte Aufbeton dient als thermischer Speicher und als schalltechnische Masse, aber vor allem als aussteifendes Element in Kombination mit der gestaltprägenden, fachwerkartigen Struktur der Fassadenstützen. So erfolgt der horizontale Lastabtrag über die Deckenscheiben in die Fassadenstruktur, und von dort in das in Stahlbeton ausgeführte Untergeschoss. Im Gebäudeinneren lagern die Holz-Beton-Verbund-Decken auf Brettschichtholz-Trägern und Brettsperrholz-Wänden, die ihrerseits die Lasten über die Stahlbeton-Bodenplatte ableiten. Das Aussteifungskonzept ermöglichte den Verzicht auf weitere aussteifende Wände im Inneren und entlang der Fassade, was wiederum die Flexibilität der Raumaufteilung maximierte.
Und zu guter Letzt wird die Innovationsfabrik von der innen wie außen durchgängig verglasten Fassadenstruktur bestimmt. Dabei dient die äußere Prallscheibe als Witterungsschutz des Holztragwerks sowie als Absturzsicherung. Hingegen bilden innen raumhohe, dreifach-isolierverglaste Fichtenholzfenster die einzige thermisch wirksame Hülle des Gebäudes.
Die sichtoffene Tragkonstruktion der Fassade findet im Atrium eine nahtlose Fortsetzung, ebenso wie die beeindruckende Gebäudesymmetrie, die u.a. auf dem sich wiederholenden, prägenden Bauteilmaß von 44 cm beruht. Aufgrund des offen gehaltenen, großdimensionalen Atriums mit dem unbekleideten Holztragwerk kommt den Brandschutzanforderungen eine besondere Bedeutung zu. Infolgedessen wurde das Gebäude mit einer Hochdrucknebelanlage ausgestattet, die im Gegensatz zu einer Sprinkleranlage im Brandfall die Räume nicht flutet, was insbesondere den Holzbau immens schädigen würde, sondern ihn nur einem feuchten Nebel aussetzt. Mit der postindustriellen Innovationsfabrik vollzieht sich ein Architekturwandel, sowohl im transparenten Ausdruck wie auch in der nachwachsenden Materialität. Letztere bestimmt nicht nur das Tragwerk von der Platzkante bis zum First, sondern ebenso jeden Raum des markanten Bauwerks.
Marc Wilhelm Lennartz, St. Goar
Bauherrschaft: Stadtsiedlung Heilbronn GmbH, D-74072 Heilbronn, www.stadtsiedlung.de
Baukosten gesamt (KG 300-500): 16,04 Mio. Euro netto
Generalunternehmer: Implenia Hochbau GmbH, D-70565 Stuttgart, www.implenia.com
Architektur, Entwurfsplanung: Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB, D-64295 Darmstadt, www.waechter-architekten.de
Holzbau Werkplanung, Vorfertigung, Montage: Blumer Lehmann AG, CH-9200 Gossau, www.blumer-lehmann.com
Tragwerksplanung: merz kley partner GmbH, A-6850 Dornbirn, www.mkp-ing.com
Fassadenplanung: knippershelbig GmbH, D-70178 Stuttgart, www.knippershelbig.com
Flächen und Kennwerte
Effizienzgebäude 55-EE
Jahres-Primärenergiebedarf QP: 58,9 kWh/(m²a)
Jahres-Endenergiebedarf: 92 kWh/m²a
Brutto-Grundfläche (BGF): 5.856 m²
Bruttorauminhalt (BRI): 22.132 m³