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Eine energetisch vorbildliche Bauweise mit ökologischen Baustoffen

Mehrgeschossiger Hybridbau fürs Landratsamt

Die süddeutsche Stadt Biberach hat seit Ende 2020 ein neues Landratsamt. Im Zuge der Entscheidung für den Erweiterungsbau legte die Bauherrschaft großen Wert auf eine energetisch vorbildliche Bauweise mit ökologischen Baustoffen. Entsprechend dieser Vorgaben entstand ein Gebäude in Holzhybrid-Bauweise. Sie kombiniert eine Skelettkonstruktion aus Brettschichtholz- bzw. Buchen-Furnierschichtholz-Stützen und Brettschichtholz-Trägern mit Brettsperrholz-Wänden und Holz-Beton-Verbund-Decken.

Die zwei Hauptgebäude des Landratsamts in der Rollinstraße in Biberach konnten schon lange nicht mehr alle Ämter beherbergen. 2015 fiel dann die Entscheidung für den Neubau eines weiteren Verwaltungsgebäudes in der Rollinstraße, um die im Stadtgebiet verteilten Ämter zu zentralisieren. Zu Beginn des Planungsprozesses wurde schnell klar, dass es ein ökologisch und energetisch vorbildliches Gebäude werden soll.

Die Erweiterung des Landratsamtes Biberach wurde als freistehender Neubau auf einem separaten Grundstück in unmittelbarer Nähe des Hauptgebäudes in der Rollinstraße 9 und in direkter Nachbarschaft zum ebenfalls vom Landratsamt genutzten Gebäude in der Rollinstraße 17 geplant. Das Bestandsgebäude auf dem Grundstück wurde Anfang 2018 samt Keller, Bodenplatte, Fundamente und Nebengebäude abgerissen.

Viergeschosser mit wenigen schlanken, aber hochtragfähigen Innenstützen

Der viergeschossige, knapp 17,50 m hohe Neubau steht auf einem Stahlbeton-Untergeschoss, das als Tiefgarage dient. Der kompakte Baukörper erhebt sich auf einem Grundriss in Parallelogrammform mit Seitenlängen von etwa 34,50 m und 28 m; die parallele Verschiebung der Längsseiten ist städtebaulich bedingt. Die Grundrisse des ersten bis dritten Obergeschosses sind aufgrund des zentralen Lichthofs zudem mit 7,45 m x 11 m in der Mitte ausgepart.

 

Als Tragstruktur dient eine Skelettkonstruktion aus Brettschichtholz- und Buchen-Furnierholz-Stützen, kurz: Baubuche-Stützen, sowie aus Brettschichtholz-Trägern in Kombination mit Holz-Beton-Verbund(HBV)-Decken. Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss kamen für den Innenbereich quadratische Baubuche-Stützen der Festigkeitsklasse GL 70h zum Einsatz. Mit Wahl des hochtragfähigen Hartholzes konnten die Stützen trotz der großen Abstände im Gebäuderaster von 7,80 m und 5,30 m und trotz hoher Lasten, die sie aus den Geschossen darüber aufzunehmen haben, entsprechend schlank dimensioniert werden. Mit Querschnitten von 28 cm x 28 cm sind sie sogar schlanker als die Brettschichtholz-Innenstützen im zweiten und dritten Obergeschoss. Da sie der Einheitlichkeit halber jedoch wie Brettschichtholz aussehen und die gleichen Abmessungen wie die Brettschichtholz-Stützen in den darüber liegenden Geschossen haben sollten, erhielten die BauBuche-Innenstützen eine Rundum-Bekleidung aus 4 cm dicken Leimholzplatten. So haben alle Innenstützen quadratische Abmessungen von 36 cm.

Die Ummantelungen schützen die tragenden BauBuche-Querschnitte im Falle eines Brandes auch gleichzeitig vor Feuer.
Der Rest der Skelettkonstruktion besteht aus Rand- bzw. Fassadenstützen aus Brettschichtholz sowie Brettschichtholz-Trägern in Kombination mit 10 cm dicken Brettsperrholz-Wänden und 34 cm dicken HBV-Decken, bestehend aus 22 cm dicken Brettsperrholz-Elementen und 12 cm Aufbeton. Die über Einfräsungen, den sogenannten Kerven, verzahnten und schubfest verbundenen zwei Schichten der HBV-Decken bilden statisch wirksame Scheiben. Zusammen mit den beiden Stahlbeton-Erschließungskernen an den Gebäudelängsseiten steifen sie das Gebäude aus. Lediglich die Dachdecke wurde als reine Holzdecke ausgeführt. Die Geschossdecken erhielten einen 20 cm hohen Hohlraumboden für Installationen, so dass eine lichte Stockwerkshöhe von 3,20 m bleibt. Ansonsten haben die Architekten die Tragstruktur der Holzstützen und -Träger sowie die Deckenuntersichten sichtoffen belassen.

Architektur bringt viel Tageslicht nach innen

Das zentrale Atrium, das über die drei Obergeschosse reicht, sorgt für viel Tageslicht in den Fluren und innen liegende Büros. Ansonsten schafft das sichtbar belassene Holz der Stützen und Träger sowie der Deckenuntersichten eine hohe Aufenthaltsqualität und zusammen mit den großen Fensterelementen helle und freundliche Räume.
Das Landratsamt ist das erste mehrgeschossige Verwaltungsgebäude in Baden-Württemberg in Holzhybrid-Bauweise und seit Fertigstellung architektonisches Schmuckstück der Stadt. Hierfür erhielt der Landkreis eine Förderung von 300.000 Euro aus dem Holz Innovativ Programm (HIP) des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

 

Projektdaten im Überblick

Bauherrschaft: Landkreis Biberach, vertreten durch das Amt für Liegenschaften und Gebäude

Ort: D-88400 Biberach a. d. Riss

Fertigstellung: 2020

Architektur: Gurland + Seher Architekten BDA, D-88400 Biberach a. d. Riss, und Rapp Architekten, D-89077 Ulm, www.rapp-architekten.de

Tragwerksplanung: tragwerkeplus Hochbauplanung GmbH & Co. KG, D-72770 Reutlingen, www.rapp-architekten.de
 

 

Holzbau: Fritschle GmbH, D-88524 Uttenweiler, www.fritschle-baut.de

Fachplanung HLS, Energiekonzept: Schreiber Ingenieure, D-89077 Ulm, www.schreiber-ingenieure.de

Fachplanung Brandschutz: mhd Brandschutz, D-89077 Ulm, www.mhd-brandschutz.de

Fachplanung Elektro: Neher Butz Ingenieurbüro für Gebäudetechnik GmbH, D-89250 Senden, https://neher-butz-plus.de

Auszeichnungen:
-    Effizienzpreis „Gold“ beim Landeswettbewerb „Bauen und Modernisieren 2022“
-    „Bespielhaftes Bauen im Landkreis Biberach 2015 – 2021“