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Das zweigeschossige Rathaus Hainburg zeichnet sich durch seine klar strukturierten Fassaden aus. Auf nahezu quadratischem Grundriss empfängt es seine Besucher unter der aufgeständerten Gebäudeecke, die atriumsähnlich ausgespart ist, mit viel Licht und Luft. (Foto: Norbert Miguletz)
Auch Besprechungsräume im Erdgeschoss profitieren von der offenen Architektur des Gesamtentwurfs (Foto: Norbert Miguletz)
(Foto: Norbert Miguletz)
Besticht durch schlichte Geometrie

Rathaus im Quadrat

Die Gemeinde Hainburg, südöstlich von Hanau gelegen, hat ein neues Rathaus, das sich sehen lassen kann. Das zweigeschossige Gebäude zeigt, dass auch in kleineren Gemeinden Ämter nicht in einem austauschbaren Verwaltungsbau verschwinden müssen. Der Neubau besticht durch schlichte Geometrie und seine strukturierte Gebäudehülle. Stützen, Träger und Deckenscheiben aus Holz in Kombination mit Stahl und Beton ermöglichen den Ausnahmebau mit viel Licht und hoher Aufenthaltsqualität.

Der 7,40 m hohe Verwaltungsbau auf quadratischem Grundriss mit Seitenlängen von etwa 36,40 m ist halb unterkellert, liegt an einer Kreuzung mit der Landstraße L3065 und kehrt dieser durch seine Ausrichtung quasi „den Rücken zu“. Geschossigkeit und Volumen orientieren sich an dem benachbarten Bankgebäude und der Feuerwehr sowie der gegenüberliegenden Wohnbebauung. In dem Neubau aus der Feder des Frankfurter Architekturbüros STUDIOBORNHEIM kommen 47 Arbeitsplätze unter. Das Ausnahmegebäude mit hoher Aufenthaltsqualität erhielt im Mai 2023 dann auch den Deutschen Holzbaupreis.

Aufgeständerte Gebäudeecke als großzügiger Eingang

Mit etwa 19 m x 19 m ist rund ein Viertel des Rathausgebäudes über seiner südöstlichen Ecke aufgeständert und heißt so die Besucherinnen und Besucher „mit offenen Armen“ willkommen. Der Bau wirkt leicht und transparent, sowohl durch den hohen Glasanteil der Fassaden als auch durch die Aufständerung mit an dieser Stelle sehr schlanken Stahlstützen.
Zwei quadratische Öffnungen unterschiedlicher Größe im Grundriss (6,70 m x 6,70 m und 11,70 m x 11,70 m) sorgen zudem für viel Tageslicht im Gebäude: Die eine im zweigeschossigen Bereich als Innenhof, die andere als „Aussparung“ im ersten Obergeschoss über der südöstlichen Ecke. Beide schaffen einen fließenden Übergang zwischen innen und außen.
Die Büroräume reihen sich entlang der Außenfassaden. Zum Hof gelegene Gänge erschließen sie. Vom Foyer ins Obergeschoss führt eine repräsentative einläufige Freitreppe. Ins Obergeschoss gelangt man aber auch durch den zentral gelegenen Aufzug oder über zwei Treppenhäuser an der südlichen und der nördlichen Gebäudeecke – als „notwendige“ Treppenhäuser“ sind sie zugleich Fluchtwege, die in der vorliegenden Gebäudeklasse (GK 3) und Nutzung ebenfalls in Holzmassivbauweise realisiert werden konnten.

Das zweigeschossige Rathaus Hainburg zeichnet sich durch seine klar strukturierten Fassaden aus. Auf nahezu quadratischem Grundriss empfängt es seine Besucher unter der aufgeständerten Gebäudeecke, die atriumsähnlich ausgespart ist, mit viel Licht und Luft. (Foto: Norbert Miguletz)

Pfosten-Riegel-Konstruktion und mehr

Auf das teilunterkellerte Untergeschoss setzt der Holzbau auf. Dieser besteht entlang der Fassaden aus einer Art Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Brettschichtholz der Festigkeitsklasse GL 24c. Mit 12 cm Breite und 20 cm Tiefe bilden die Stützen im Abstand von 1,25 m die Grundstruktur des äußeren und inneren Erscheinungsbildes. 20 cm breite und 24 cm bzw. 32 cm hohe Unterzüge überspannen sie als Riegel, sind aufgrund der abgehängten Decken nach Fertigstellung jedoch nicht mehr sichtbar.
Im Gebäudeinneren setzten die Tragwerksplaner auf Brettsperrholz-Wände bzw. Abfangkonstruktionen aus Unterzügen und Stützen, ergänzt durch aussteifende Wandscheiben aus Brettsperrholz mit Längen von rund 12,40 m, 6,40 m und 5,20 m. Für die Geschossdecke über dem Erdgeschoss bzw. die Dachdecke über dem Obergeschoss nutzten sie 26 cm bzw. 18 cm dicke Brettsperrholz-Elemente. Zu schubfesten Scheiben verbunden sorgen sie zusammen mit den Brettsperrholz-Wänden und dem zweigeschossigen Stahlbetonkern für Aufzug, sanitäre Anlagen und EDV für die Aussteifung des Gebäudes. Die Längswände der notwendigen Treppenhäuser sind ebenfalls aus Brettsperrholz und Teil des Aussteifungskonzepts.

 

Die Brettsperrholz-Decken spannen in den umlaufenden Regelbereichen jeweils etwa 7,30 m von der Fassadenachse nach innen. Bei der Decke über dem Mehrzweckraum im Erdgeschoss beträgt die Spannweite sogar 9,50 m; hier wurden alternativ Hohlkasten-Elemente eingesetzt. Die Lastabtragung der Decke über dem Erdgeschoss bzw. der Dachdecke über dem Obergeschoss erfolgt über die tragenden Fassadenstützen sowie über Stahlbetonverbundstützen im Bereich der Fassaden der beiden Innenhöfe. Die Brettsperrholz-Elemente liegen in den Regelbereichen kontinuierlich auf Unterzügen aus Brettschichtholz auf. In den weit spannenden Bereichen wurden die Unterzüge aus Buchen-Furnierschichtholz (Buchen-FSH), kurz BauBuche, ausgeführt bzw. in Bereichen, wo deckengleiche Anschlüsse erforderlich waren, kamen Stahlträger als Unterzüge zum Einsatz. Letztere schließen mitunter an dem aussteifenden Betonkern an.

Die Explosionszeichnung zeigt die Pfosten-Riegel-Konstruktion entlang der Fassaden sowie die aussteifenden Brettsperrholz-Wand- und Deckenelemente samt Ecklösung für die brückenartigen Riegel über dem Eingangsbereich (Bildquelle: Bollinger und Grohmann)
Der Holzbau entlang der Fassaden besteht aus einer Art Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Brettschichtholz (Foto: Christopher Unger)
Durch die atriumsähnliche Aussparung des Obergeschosses im Eingangsbereich entstehen zwei rechtwinklig zueinander liegende brückenartige Riegel, die auf Stahlstützen aufgeständert sind (Foto: Norbert Miguletz)
Vom Foyer ins Obergeschoss führt eine repräsentative einläufige Freitreppe. (Foto: Norbert Miguletz)
Zum Innenhof gelegene Gänge erschließen die Büroräume, die sich entlang der Außenfassaden reihen. Der Innenhof sorgt gleichzeitig für optimale Ausleuchtung der Erschließungsbereiche mit Tageslicht. (Foto: Norbert Miguletz)

Auskragendes Eck als Brücke mit rechtem Winkel

Für die das Erdgeschoss überkragende Süd-Ost-Ecke mit großer „Aussparung“ (11,70 x 11,70 m) haben die Ingenieure eine spezielle Konstruktion entwickelt. Denn das in diesem Bereich auf den Stahlstützen ruhende Obergeschoss bildet aufgrund des großen Atriums in dieser Ebene eine 7,30 m breite und an den Außenseiten 19 m lange Brücke mit rechtem Winkel aus. Hier galt es, die Lasten aus der auskragenden Ecke entsprechend umzuverteilen. Dafür wurden die Decken des Brückenstegs als einachsig spannende Brettsperrholz-Elemente ausgeführt. Im Eckbereich wurden zwei Stahlträger im „Brückensteg“ vorgesehen, die beidseitig der Ecke diagonal angeordnet wurden. Die Spannrichtung der Brettsperrholz-Elemente im Brückeneck wurde um 45 Grad gedreht, sodass diese senkrecht zu den Stahlträgern spannen und auf diesen auflagern können. Die Deckenlasten der dazwischen eingefügten Brettsperrholz-Elemente werden so in die Stahlträger eingeleitet und von dort in die Stahlstützen. Die Gründung erfolgte hier über Streifenfundamente.

Die gesamte Konstruktion erfüllt die Feuerwiderstandsklasse REI30. Dabei wurden die sichtbaren Holzbauteile auf Abbrand bemessen und alle Stützen als Verbundstützen in Form von ausbetonierten Quadratrohrprofilen ausgeführt. So ließen sich die Stützen ohne Bekleidung oder Beschichtung schlank und mit entsprechend ansprechender Ästhetik ausführen.

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Photovoltaik-Paneele auf dem Flachdach decken einen Großteil des Strombedarfs des neuen Rathauses (Foto: Gemeinde Hainburg)

Projektdaten im Überblick

Bauvorhaben: Neubau Rathaus Gemeinde Hainburg, D-63512 Hainburg

Bauherrschaft: Gemeinde Hainburg, D-63512 Hainburg, www.hainburg.de

Architektur: STUDIOBORNHEIM Unger Ritter Architekten PartG mbH, D-60318 Frankfurt a.M., www.studiobornheim.de

 

Tragwerksplanung, Brandschutz und Bauphysik: B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH, D-60327 Frankfurt a.M., www.bollinger-grohmann.de

Holzbau: Zimmerei Dümler GmbH, D-97232 Giebelstadt, www.duemler-holzbau.de

Lieferung der KLH-Brettsperrholz-Platten (KLH: Kreuzlagenholz = Brettsperrholz) ABA HOLZ van Kempen GmbH, KLH Deutschland, D-86477 Adelsried, www.aba-holz.de