Beim hölzernen Ersatzneubau Grand Palais Ephémère in Paris (Frankreich) handelt es sich um eine Interimslösung für das historische Original ‚Grand Palais‘, das seit Ende 2019 über vier Jahre hinweg renoviert und saniert wurde. Um weiterhin große Mode-, Kunst-, Sport- und Freizeit-Veranstaltungen durchführen, aber auch in 2024 Gäste aus aller Welt zu den Olympischen Spielen empfangen zu können, entschied die Stadt Paris, diesen Ersatzneubau als Temporärbau in Anlehnung an die Gestalt des Originals zu errichten, und zwar in Holz.
Das für die Weltausstellung 1900 fertiggestellte Grand Palais lockt weltweit mit seinen großen Retrospektiven zur Kunst, die bisher jedoch nicht im Hauptbau unter dem riesigen Glasdach stattfinden konnten. Als Ende 2019 das Grand Palais wegen Renovierungsarbeiten für vier Jahre schließen sollte, kam die Idee auf, am südlichen Ende des Champ-de-Mars-Areals ein provisorisches Ersatzgebäude zu schaffen, das in etwa der Ausstellungsfläche des Grand Palais unter dem Glasdach entspricht (14.000 m2). Es sollte zudem als einer der Pariser Veranstaltungsorte der Olympischen Spiele im Sommer 2024 in Paris dienen und bekam den Namen Arena Champ-de-Mars.
Dass es ein Holzbau wurde, liegt daran, dass die Bauherrin eine umweltverträgliche Lösung wünschte, samt der Option, die Konstruktion ab- und an anderer Stelle wieder aufbauen zu können. Laut dem ausführenden Holzbauunternehmen Mathis wurde für dieses Provisorium Beton ausgeschlossen. Stahl und Holz, oder eine Kombination aus beiden, blieben übrig. Im September 2019 bekam die Firma GL Events dann für 40 Millionen Euro den Zuschlag für Bau und Verwaltung sowie den Rückbau nach vier Jahren. Für GL Events entwarf Architekt Jean-Michel Wilmotte einen im Grundriss T-förmigen Holzbau. Die Entwicklung des Holztragwerks bzw. des gesamten Gebäudes erfolgte in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren Chabanne Ingénierie & Chabanne énergétique sowie dem Akustiker Lamoureux.
Die Gebäudeform ergibt sich aus der Kreuzung zweier Rundbogenhallen, einer 57,50 m breiten und einer 37,50 m „schmalen“ Halle mit 148 m bzw. 140 m Länge. Den Kreuzungspunkt bilden zwei Fachwerkportale aus Brettschichtholz, die jeweils 68,50 m überspannen. Die rund 20 m hohen Hallentragwerke bestehen aus insgesamt 63 Brettschichtholz-Bogenfachwerken im Abstand von 4,50 m und sind an ihren Fußpunkten über 3,70 m hohe Stahlpfosten eingespannt. Zwischen die Ober- und Untergurte eingefügte Pfetten verbinden sie miteinander und dienen gleichzeitig (oben) als Unterkonstruktion für den Dachaufbau bzw. (unten) als „Montagegrund“ für die mehrschichtige Innenschale und -bekleidung. Im verbleibenden Hohlraum konnten dann Leitungen und Lüftungsrohre zwischen den Fachwerkdiagonalen hindurchgeführt und so unsichtbar verlegt werden.
Das Tragwerk gliedert sich in fünf selbstragende Hauptteile, die nach dem Rückbau an anderen Orten in verschiedenen Kombinationen wieder miteinander verbunden werden könnten. Verschiedene Verbindungen und Bauteilanschlüsse ermöglichen es zudem, Flächen von 2.600 m2, 4.200 m2, 5.800 m2 oder 7.800 m2 zu überdachen. Dies sollte eine spätere Weiterverwertung des Baus fördern. Leider bot sich bis Herbst 2024 noch keine weitere Nutzung an anderer Stelle an.
Maßgebend für das Baukonzept war die Schalldämmung nach außen, die sogenannte Schallimmission. Wie bei einer Diskothek sollte die Gebäudehülle Lärm bis 92 dB auch in niedrigen Frequenzen dämmen. Dazu dient eine periphere, 3,5 m hohe Wand aus Beton-Fertigteilen. Darauf setzt eine 3 m hohe, gedämmte Doppelschale aus Holz auf, die den Blick zum Holztragwerk – zumindest von innen – versperrt.
Die Montage der 246, maximal 20 m langen Fachwerksegmente erfolgte per „just in time“-Lieferung. Denn der Transport musste so getaktet sein, dass diese nach Anlieferung sofort verbaut werden konnten; Möglichkeiten zur Zwischenlagerung gab es vor Ort nicht. Sechs 28-m-Hebebühnen, zwei 16-m-Hebebühnen und zwei MK-88 Kräne (90 Tonnen) standen zur Verfügung. Das Montageziel lautete ‚ein Bogenfachwerkbinder pro Tag‘, was jedoch nur bei einer Windstärke unter 34,2 km/h möglich war. Sobald der Bogenbinder am Boden zusammengesetzt war, wurde er von den Kränen mit sechs Monteuren angehoben, was zwischen zehn und 15 Minuten dauerte. Über spezielle Stahlteile wurden die Fußpunkte am Stahlbeton-Fundament angeschlossen. Dabei war es jeweils einfacher, die erste der beiden Stützen anzuschließen. Bei der zweiten mussten die Monteure unter anderem mit Hämmern hantieren. Auf jeder Seite eines Bogenhauptträgers folgte der Anschluss von zunächst fünf von 30 Querträgern, die ihn mit dem Vorgängerbogen verbinden. Danach wurde der nächste Bogenbinder vorbereitet und eingehoben, und so ging die Montage Stück für Stück voran.
Die Dachmembrane umfasst 15.000 m2 und ruht auf 4.000 Stützen. Darunter befindet sich direkt auf den Bogenbindern bzw. Querträgern eine wasserdichte Schicht, die auch als Schalldämmung fungiert. Es handelt sich um Sandwichpaneele, die mit Steinwolle ausgedämmt sind, an denen eine Gipskarton-Decke als Akustikdecke abgehängt wurde. Der Zwischenraum beträgt in der Regel einen Meter. Er dient auch zur Verlegung der Lüftungsrohre, die sich zwischen der oberen „Membran“ und der Akustikdecke hindurchschlängeln.
Der Bau des Grand Palais Ephémère dauerte nur etwa acht Monate. Das Projekt bot die Gelegenheit zu zeigen, dass es möglich ist, Holzbauten selbst dieser Größenordnung in kürzester Zeit zu errichten. Dabei hatten sich GL Events und das Holzbauunternehmen Mathis zuvor dazu verpflichtet, das gesamte Gebäude am Ende wieder zu demontieren. Der Rückbau des Holztragwerks soll im Frühjahr 2025 erfolgen, wahrscheinlich während des französischen Holzbauforums (Forum Bois Construction), das 2021 im Grand Palais Ephémère tagte und Ende Februar 2025 im renovierten Grand Palais stattfinden wird. Die Gesamtkonstruktion soll so demontiert bzw. zerlegt und sortiert werden, dass sie wieder auf die ursprünglich benötigten 38 Lkw passt. Davor wird sich erst noch zeigen müssen, ob der Rückbau des großdimensionalen Temporärbaus so einfach zu bewerkstelligen sein wird, wie man sich das vorgestellt hat. Und hoffentlich weiß man bis dahin, wo der Grand Palais Ephémère oder Teile davon zu neuem Leben erweckt werden sollen.
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe, und Jonas Tophoven, Paris
Bauherr: Stadt Paris, Paris
Standort (bisher): Champ-de-Mars
Architektur: Wilmotte & Associés SAS d’architecture, F- 75012 Paris, www.willmotte.com
Tragwerksplanung: Chabanne Ingénierie, F-75011 Paris, www.agence-chabanne.fr
Holzbauunternehmen: Mathis, F-67600 Muttersholtz, www.mathis.eu