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Der verschachtelte Bau nimmt seine Umgebungshöhen auf und sieht von jeder Seite anders aus. (SARA_Photo Visit Skellefteå)
Wiederbelebung des Stadtzentrums mit traditionellem Baustoff

Kulturzentrum Skellefteå:
Raues Klima - robuster Baustoff

Kurz vor dem Nordpolarkreis steigert ein neues Kulturzentrum die Attraktivität der Stadt Skellefteå. Es zeigt: Auch in dieser klimatisch rauen Region kann man großformatig in Holzbauweise bauen.

Wiederbelebung des Stadtzentrums

Hoch im Norden Schwedens, nur rund 200 Kilometer südlich des Nordpolarkreises, liegt Skellefteå, eine Kleinstadt an der Küste mit rund 33.000 Einwohnern. Niedrige, drei- bis vierstöckige typisch schwedische Bebauung prägt das Stadtbild, auch in zentralen Bereichen der Stadt. Vor der Modernisierung des Stadtzentrums war der Ort von Holzarchitektur geprägt und blickt so auf eine lange Bautradition in Holzbauweise zurück. Der Neubau des Sara Kulturhus markiert nun die Wiederbelebung des städtischen Erbes. Die boomende Region, die den Wechsel zum Tech-Standort geschafft hat, schafft sich so ein vorher nicht vorhandenes Stadtzentrum und wird für Zuzug attraktiv.

Ein Ort für viele Kreative

Das neue Kulturzentrum aus der Feder von White Arkitekter, einem in Göteborg ansässigen Architekturbüro, öffnete im Herbst 2021 seine Türen für die Öffentlichkeit. Das Sara Kulturhus ist ein modernes Kulturzentrum mit Hotel, das seinen Beitrag zur lokalen Gemeinschaft leistet und gleichzeitig ein internationales Schaufenster für nachhaltiges Design und Bauwesen darstellt. Mit einer Höhe von 75 Metern ist das Gebäude einer der höchsten Holztürme der Welt. Das Kulturzentrum kombiniert traditionelle Materialien mit moderner Technologie und beherbergt gleich mehrere Kunstbetriebe unter seinem Dach: die Kunstgalerie Skellefteå, das Museum Anna Nordlander, das Regionaltheater Västerbotten, die neue Stadtbibliothek und das The Wood Hotel mit Restaurant, Spa und Konferenzzentrum. Das 20-stöckige Hotel bietet einen atemberaubenden, kilometerlangen Blick über Skellefteå, und die Umgebung in Schwedisch-Lappland.

Aus dieser Perspektive verdeutlicht sich das architektonische Prinzip: Unterschiedliche Kubaturen passen sich der jeweiligen Umgebungsbebauung an und erzeugen so ein harmonisches Bild des Gesamtkomplexes. (Photo Martinsons-Jonas Westling)
Die Zugbelastung der Träger nehmen Metallbauteile auf – ein schönes Beispiel für hybride Konstruktionen, die Materialien nach ihren Eigenschaften einsetzen. (Photo: Åke Eson Lindman)

Zentrale Lage schafft ein neues Zentrum

Im Mittelpunkt des Projekts stand der Anspruch, ein kulturelles Zentrum für die gesamte Gemeinde zu sein. Dafür ist die zentrale Lage des Gebäudes direkt im Stadtzentrum ideal. Nun könnte man meinen, dass die Entwicklung eines großvolumigen Gebäudeensembles in einer kleinteilig gegliederten Bebauungsstruktur zwangsläufig wie ein Fremdkörper wirken müsste. Um auf Straßenebene ein menschenfreundliches Maß zu schaffen, besteht das Gebäude aus Holzkörpern unterschiedlicher Größe und Transparenz, die von niedrigeren Körpern zu den engen Straßen hin bis hin zum 20-stöckigen Hotel am Hauptplatz reichen. Die Architekten griffen so zu einem simplen Trick: Sie lösten die Struktur in mehrere Bauteile auf, deren Höhe sich jeweils nach der Umgebungsbebauung richtet. Die transparenten Fassaden und die Eingänge an allen Seiten sorgen für einen offenen und einladenden Ort. Das Erdgeschoss steht vielfältigen Nutzungen offen. Im Herzen des Gebäudes befindet sich ein nutzungsoffenes öffentliches "Wohnzimmer", das die Besucher willkommen heißen soll, während die Foyers Ausstellungen und Veranstaltungen beherbergen, um ein neues Publikum für das Kulturzentrum zu gewinnen. Der südliche Bauteil ist zum Hauptplatz orientiert. Hier befinden sich die Hotellobby mit Café, die „Kulturtreppe“ und die Bücherei. Traversen über den großen Foyers, die aus einem Hybrid aus Brettschichtholz und Stahl bestehen, ermöglichen einen flexiblen, offenen Raum. In den nördlich orientierten Bauteilen sind die Bühnen und Zuschauerräumen untergebracht. Das südliche hohe Hotelbauteil weist über der „Kulturtreppe“ noch eine Etage mit Konferenzcenter, Restaurant und großer Terrasse auf.

Sichtbares Holz prägt die Hotelzimmergestaltung. Es verleiht dem Hotel eine Einzigartigkeit, die es attraktiv für Gäste macht. (Photo: Visit Skellefteå)

Offene Einblicke und viel sichtbares Holz

Die offenen Grundrisse in Kombination mit großzügigen Verglasungen sollen das Handwerk hinter dem kreativen Prozess hervorheben und Besuchern und Passanten zeigen, was hinter den Kulissen vor sich geht. Das Sara Kulturhaus soll nicht nur die lokale und regionale Gemeinschaft bereichern, sondern auch ein neues Ziel werden, das Besucher aus dem In- und Ausland anlockt. Die Holzelemente des Projekts sind frei sichtbar, um das Interesse an der Konstruktion zu wecken. Eine doppelschalige Glasfassade gibt den Blick auf die hölzerne Kernstruktur des Hochhauses frei und reflektiert gleichzeitig den nordischen Himmel.

 

Die Konstruktion des Sara Kulturhus verzichtet so weit wie möglich auf andere Materialien als Holz. Durch die integrierte Tragwerksplanung konnte auf Beton in der tragenden Struktur, bis auf die erdberührenden Bauteile, vollständig verzichtet werden. Das beschleunigte die Bauzeit und reduziert den CO2-Fußabdruck des Gebäudes. Das vielfältige Raumprogramm des Kulturzentrums erforderte eine Reihe innovativer Lösungen im Massivholzbau, um Spannweiten, Flexibilität, Akustik und Gesamtstatik zu bewältigen. Hierbei spielten die regionale Forstwirtschaft und das Wissen der Bauindustrie eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Tragwerke. Den Planern war die regionale Verfügbarkeit der Bauprodukte wichtig. So besteht das komplette Ensemble vollständig aus lokalem Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft, das in einem Sägewerk etwa 50 km vom Gebäude entfernt verarbeitet wurde.

Der große Theatersaal ist beeindruckend und besticht durch viel sichtbares Holz. (Photo David Valldeby)

Akustisch getrennter Konzertsaal

Die niedrigeren Bauteile des Kulturzentrums bestehen aus Stützen und Trägern aus Brettschichtholz (GLT) und Kernen und Scherwänden aus CLT. Weitgespannte Traversen über den großen Foyers, die aus einem Hybrid aus GLT und Stahl bestehen, ermöglichen einen flexiblen, offenen Raum, der eine Reihe von Aktivitäten und Funktionen beherbergen kann. Einen besonderen Blick lohnt der große Konzertsaal, der 1200 Sitz- und 300 Stehplätze bietet. Er ist mit einer fast einen Meter starken doppelten CLT-Schale akustisch mit Kerndämmung vom Rest des Baus getrennt.

 

 

Auf ein anderes statisches System setzt der Hotelturm. Das Hochhaus des Hotels besteht aus vorgefertigten 3D-Modulen aus Brettsperrholz (CLT), die zwischen zwei Aufzugskernen aus CLT gestapelt sind. Die Raummodule wurden bei einem Fertighaushersteller unweit der Baustelle vorproduziert. Dieser stellte für die Bauzeit seine komplette Produktion auf dieses eines Produkt um. Durch die serielle Fertigung konnte die Bauzeit um rund ein Jahr verkürzt werden. Eine Besonderheit des Hotel-Bauteils sind die zwei Erschließungskerne, die nicht, wie in den meisten Fällen üblich, in Beton gefertigt sind, sondern mit großformatigen CLT-Bauteilen hergestellt wurden – inklusive der Aufzugsschächte. Interessante und mächtige Bauteile sind die geschosshohen Fachwerkträger im 5. Obergeschoss, die die Lasten des darüber liegenden Hotelturms umverteilen.

Der Bau besteht aus mehreren einzelnen Elementen. Sie passen sich in ihrer Kubatur an die Umgebungsbebauung an. (Photo Visit Skellefteå)

Große Sichtholzflächen prägen den Außeneindruck des Kulturzentrums. (Photo Åke Eson Lindman)

Sehr guter ökologischer Fußabdruck

Die Holzstruktur des Sara Cultural Centre bindet mehr als das Doppelte der Kohlenstoffemissionen, die durch die Betriebsenergie und den Kohlenstoff aus der Herstellung der Materialien, dem Transport und dem Bau vor Ort entstehen. Die Holzkomponenten binden während ihrer Lebensdauer fast 9000 t CO2

Das bewusste Design in Verbindung mit einem neuen Energiesystem, das von Skellefteå Kraft und ABB gemeinsam entwickelt wurde, reduziert den Energieverbrauch des Gebäudes. Das selbstlernende Building Automation-System berechnet anhand wiederkehrender Bedarfsmuster den Heiz- und Lüftungsbedarf.  374 PV-Module auf dem Dach erzeugen erneuerbare Energie, die in Verbindung mit der Holzkonstruktion die CO2-Emissionen des Gebäudes kompensiert. Das Gebäude wurde so konzipiert, dass es eine Lebensdauer von mindestens 100 Jahren hat und innerhalb von 50 Jahren CO2-negativ sein wird. Damit es an seine jeweiligen Anforderungen angepasst werden kann, haben die Grundsätze der Flexibilität die Organisation des Gebäudes bestimmt.

 

Raues Wetter – kein Problem

Ein Holzbau dieser Dimension an einem Ort nahe dem Polarkreis – kann das gutgehen? Der Architekt Robert Schmitz hat dazu eine klare Meinung: „Holz wird im Norden schon seit Generationen als Baumaterial verwendet. Wenn es richtig gebaut wird, kann Holz hunderte von Jahren dem Wetter ausgesetzt sein. Während das Gebäude heute einen homogenen, warmen Farbton hat, wird das freiliegende Holz der unteren Teile im Laufe der Zeit verwittern und einen Kontrast zu dem durch die große Verglasung sichtbaren Holz im Inneren bilden, das seinen warmen Farbton beibehält. Die unteren Fassaden können beibehalten oder bei Bedarf sogar ausgetauscht werden, während das Hochhaus des Hotels vollständig hinter einem Glasschleier geschützt ist.“

Die Hotelzimmer wurden als vorfabrizierte Module auf die Baustelle gebracht. So konnte die Bauzeit um ein Jahr verkürzt werden. (Photo Martinsons-Jonas Westling)

Projektdaten im Überblick:

Bauvorhaben: Sara Kulturhus

Bauweise: Holzmassivbau

Bauzeit:11/2018 – 10/2021

Baukosten:105 Mio. Euro

Nutzfläche:30 000 m²

Bauherr: Skellefteå Municipality      

Planer/Architekt: White Arkitekter, Göteborg, www.whitearkitekter.com

Haustechnik: Incoord, Danderyt, www.incoord.se

Statik: DIFK, Florian Kosche, Oslo, www.difk.no

Generalunternehmer: HENT AS, Trondheim, www.hent.no

Holzlieferant: Martinsons, Växel, www.martinsons.se