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Das neue Brot-Museum bzw. Kundeninformationszentrum und Veranstaltungsforum „Paneum“ der Firma Backaldrin im oberösterreichischen Asten besteht aus zwei Baukörpern: einem quaderförmigen Sockelgebäude sowie einem darüber schwebenden, frei geformten, silbrig schimmernden Überbau. Ob Wolke, Baiser, Teigling oder doch zwei gestapelte Brotlaibe – der Entwurf lässt dem Betrachter viel Interpretationsspielraum. (Foto: Markus Pillhofer)
Für die 12 m hohe Holzstruktur wurde ein parametrisches 3D-CADModell erstellt. Es ermöglicht die Umsetzung der hochkomplexen Form in definierte Bauteile. (Zeichnung: Design-to-Production, Zürich)
Die komplexe Freiform-Konstruktion entstand am Computer. Die Daten gehen digital an die Fertigungsmaschinen, wo die Schichtelemente gefräst und dann in Asten zusammengefügt wurden. (Zeichnung: Design-to-Production, Zürich)
Querschnitte: Eine selbsttragende Brettsperrholz-Konstruktion bildet die Freiform der Hülle der „Wunderkammer des Brotes“. Eine Stahltreppe windet sich mittig im vierstöckigen Bau empor und erschließt die Geschosse. (Zeichnungen: COOP HIMMELB(L)AU)
Querschnitte: Eine selbsttragende Brettsperrholz-Konstruktion bildet die Freiform der Hülle der „Wunderkammer des Brotes“. Eine Stahltreppe windet sich mittig im vierstöckigen Bau empor und erschließt die Geschosse. (Zeichnungen: COOP HIMMELB(L)AU)
Erdgeschoss (Zeichnung: COOP HIMMELB(L)AU)
Erstes Obergeschoss (Zeichnung: COOP HIMMELB(L)AU)
Zweites Obergeschoss (Zeichnung: COOP HIMMELB(L)AU)

Skulptur rund ums Brot

In Asten steht das erste Brotmuseum Österreichs. Der Entwurf der außergewöhnlichen Bauskulptur stammt vom renommierten Architekturbüro COOP HIMMELB(L)AU. Gestapelte Brettsperrholz-Ringe bilden den schwungvollen Überbau des „Paneum“. Die selbsttragende und hochkomplexe Freiform war nur mit Hilfe eines parametrischen Computermodells realisierbar.

Das Brotmuseum namens Paneum, vom Lateinischen „panis“ für Brot, besticht schon von der Autobahn aus mit seiner einzigartigen Architektur. Es lässt Assoziation mit Brotteig oder einem Brotlaib ebenso zu wie mit Zuckerwatte oder einer Wolke. Dabei besteht das Gesamtkonzept aus zwei Baukörpern: Ein etwa 17 m breites, 31 m langes und knapp 5 m hohes Sockelgebäude aus Sichtbeton bildet das Fundament des insgesamt 20 m hohen Museums und beherbergt ein Veranstaltungsforum. Darüber schwebt die sogenannte „Wunderkammer des Brotes“ in Holzbauweise. Letzteres ist als selbsttragende Brettsperrholz-Hülle aus gekrümmten, sich aufeinander stapelnden Brettsperrholz-Ringen konzipiert. Diese Art der Konstruktion ermöglichte den Bau der Freiform.

Paradoxe Raumraffinesse, konvex und konkav in einem

Der Stahlbetonbau wird über das Erdgeschoss hinaus mit einer rund 3 m hohen Röhre weitergeführt. Wie ein Flaschenhals ragt sie in die Höhe und mündet in einer Plattform, der ersten Ausstellungsebene. Auf diese rundum auskragende Geschossdecke setzt nun die 12 m hohe Konstruktion des „Holzgefäßes“ mit ihrer 40 cm dicken Schale und mit „Durchmessern“ von bis zu 35 m auf.

Beginnend mit dem ersten Ring, der aus Segmenten zusammengesetzt wurde, stapeln sich 71 weitere Ringe übereinander, wiederum aus einer Vielzahl von Ringsegmenten, deren Stoßfugen schichtenweise versetzt angeordnet wurden. Die Statik war unproblematisch mit einem Schichtenmodell zu rechnen.

Die sich selbsttragende Struktur setzt sich aus 800 gekrümmten, am Computer entwickelten Brettsperrholz-Segmenten zusammen. Auf einer CNC-Anlage (CNC – Computerized Numerical Control) millimetergenau aus- und zugeschnitten, konnten sie auf der Baustelle passgenau übereinander gestapelt werden. Die einzelnen Elemente wurden miteinander verschraubt und verklebt. Dabei sorgen die rund 60.000 Schrauben für biegesteife Verbindungen, während die Verklebung die Schubsteifigkeit sicherstellt.

Der Ausstellungsraum komprimiert das Prinzip des New Yorker Guggenheim-Museums auf zwei Geschossen: Eine flach ansteigende Treppe führt um ein offene Mitte herum, in der Objekte rund ums Thema Brot zu schweben scheinen. (Foto: Markus Pillhofer)
Geschmeidige Wandungen: Die präzise, CNC-gefrästen Holzelemente bleiben im Inneren sichtbar. Hier ist Rohbau gleich Ausbau, so dass der Innenausbau entfallen konnte. (Foto: Markus Pillhofer)
Im zweistöckigen Ausstellungsbereich entfaltet die geschwungene Holzkonstruktion ihre volle Wirkung. Über das Oberlicht im Dach erhält das Atrium natürliches Tageslicht. (Foto: Markus Pillhofer)
Enge Radien der Gebäudehülle wie hier im Obergeschoss lassen nur schlanke Ringsegmente zu. (Foto: Markus Pillhofer)
Organisch geschwungene, geschmeidig ineinander übergehende Segmentringe dominieren den Raumeindruck. (Foto: Fotokerschi_Kerschbaummayr)

Ringeinteilung: Rahmenbedingungen auf einen Nenner bringen

Zunächst galt es, die 72 horizontalen Ringe der Freiform in einzelne Segmente zu unterteilen, um sie herstellen und transportieren zu können. Dafür wurde ein 3D-Fertigungsmodell erstellt.

Um eine Ringeinteilung vornehmen zu können, mussten vorweg einige Rahmenbedingungen abfragen, zum Beispiel welche Maschinen und Fräswerkzeuge beim Holzbauunternehmen für den Abbund zur Verfügung stehen. Das war maßgebend bei der Festlegung der Bauteilhöhen. Denn durch die geschwungene Form der Hülle ergeben sich gleichermaßen geneigte wie verwundene Außen- und Innenflächen der Ringsegmente, die üblicherweise mit der Seite eines Fräsers hergestellt und bearbeitet werden können. Ist eine solche Fläche jedoch höher als die Fräserlänge, müsste die Fläche mit der Fräserspitze bearbeiten werden, was unverhältnismäßig viel Zeit kosten und damit unrentabel werden würde.

Um möglichst wenige Einzelteile zu erhalten und die Einzelteilbearbeitung bzw. die Anzahl der Teile für Transport und Montage zu minimieren, strebte das Holzbauunternehmen im Rahmen dessen eine möglichst große Höhe für die einzelnen Ringe an. Der Architekt dagegen wollte möglichst dünne Ringe für möglichst fließende Übergänge der Schichten.

Einen weiteren Einflussfaktor stellten hier auch die Maße der lieferbaren Plattenformate dar, beim Paneum vor allem deren maximale Länge. Solche und viele andere Bedingungen hatte das digitale Planungsteam miteinander zu vereinbaren.

(Foto: WIEHAG)
(Foto: WIEHAG)
(Foto: WIEHAG)

Geometrische Randbedingungen beherrschen

Die schrägen Anschnitte an den Innen- und Außenseiten der Ringsegmente verursachen nun außerdem sogenannte Flankenwinkel von bis zu einem Meter Länge, die sich mit einer Maschine nicht bearbeiten lassen. Das erforderte die Durchführung von Winkelanalysen für jeden Ring. Oder genauer gesagt: beim Erarbeiten des digitalen Modells erfolgte zuerst eine Ringeinteilung für das gesamte parametrische Modell, dann kamen die Winkelanalysen, aus denen schließlich hervorging, an welchen Stellen hohe Ringsegmente verwendet werden können und an welchen aus technischen Gründen niedrigere verwendet werden müssen.

Besondere Aufmerksamkeit kam bei der digitalen Planung auch den Stößen der Ringsegmente zu. Hier stellte sich aus statischer Sicht die Frage, um welches Maß die Stöße zueinander versetzt liegen müssen, damit sich eine optimale Verzahnung und damit eine optimale Tragfähigkeit ergeben. Gleichzeitig musste der maximale Holzfaser-Anschnittwinkel berücksichtigt werden. Er spielt dort eine Rolle, wo es eng(er)e Radien gibt. Da auch das Fugenbild einen Einfluss auf das Aussehen der sichtbar belassenen Innenwand hat, musste es immer zuerst vom Architekten abgesegnet werden.

All diese Rahmen-, Rand- und Statikzwangspunkte flossen im digitalen Modell zusammen und bestimmen als „kleinster gemeinsamer Nenner“ die Segmentierung bzw. die Form der Bauteile und die Lage der Stöße. Das digitale Planungsteam leitete am Schluss die Fertigungsdaten aus dem digitalen Modell direkt die Daten im BTL-Format (CNC-Datenformat) ab, so dass die 800 individuellen Einzelteile auf der CNC-Anlage der Holzbauer automatisch aus den 148 Brettsperrholz-Platten ausgeschnitten werden konnten.

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Das Holzbauunternehmen erhielt Fertigungsdaten für alle 800 Bauteile. Sie wurden am Computer auf rechteckigen Rohplatten (schwarze Linien) so aufgeteilt, dass möglichst wenig Verschnitt entsteht. Diesen Planungsschritt nennt man Nesting. Die Höhe der Ringsegmente hängt von der maximalen Flächenneigung je Schicht ab. Die weitere Segmentierung erfolgte über ein polares Raster je nach Plattengröße und statischen Anforderungen. (Zeichnung: Design-to-Production, Zürich)
Isometrie der Tragstruktur aus gekrümmten und versetzt gestapelten Brettsperrholz-Ringsegmenten (Zeichnung: Design-to-Production, Zürich)
(Foto: Markus Pillhofer)

Projektdaten im Überblick

Bauvorhaben: Brot-Museum „Paneum“ – Wunderkammer des Brotes (www.paneum.at), A-Asten bei Linz

Bauherr: backaldrin Österreich The Kornspitz Company GmbHwww.backaldrin.at/de, A-4481 Asten

Bruttogeschossfläche (BGF): 1.850 m²

Fertigstellung: Oktober 2017

Architektur: COOP HIMMELB(L)AU – Wolf D. Prix & Partner ZT GmbH, A-1050 Wien, www.coop-himmelblau.at 

Bauleitung: Pointinger Bau, A-4710 Grieskirchen, www.pointinger-bau.at 

Holzbauunternehmen (Generalunternehmer): WIEHAG Ingenieurholzbau GmbH, A-4950 Altheim, www.wiehag.com 

Bauunternehmen (Massivbau): Ing. Harald Weissel Ges. m.b.H, A-4020 Linz, www.weissel.at

Digitale Planung: Design-to-Production, CH-8703 Erlenbach/Zürich, www.designtoproduction.com 

Brettsperrholz-Lieferung: Mayr-Melnhof Holz Gaishorn GmbH, A-8783 Gaishorn am See, www.mm-holz.com 

Edelstahlschindel-Fassade: Lummel GmbH & CO. KG, D-97753 Karlstadt/Main, www.lummel.de