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Der Wisdome in Stockholm mit seiner frei geformten Gitterschale ist eine ebenso konstruktive wie architektonische Meisterleistung. Was nach Fertigstellung fast selbstverständlich daher kommt, ist das Ergebnis eines iterativen Such- und Findungsprozesses. Parametrische Planungswerkzeuge halfen, den Siegerentwurf des Architekturwettbewerbs ins Machbare zu übersetzen. (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)
Der neue Wisdome Stockholm lädt zum Entdecken ein. Auch die ingenieurstechnische Meisterleistung der Gitterschalenkonstruktion darf dazu gezählt werden. (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)
Der Wisdome Stockholm wurde Anfang Dezember 2023 eröffnet und erfreut sich seitdem eines großen Zuspruchs. (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)
Der Wisdome Stockholm wurde Anfang Dezember 2023 eröffnet und erfreut sich seitdem eines großen Zuspruchs. (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)
Der Wisdome Stockholm wurde Anfang Dezember 2023 eröffnet und erfreut sich seitdem eines großen Zuspruchs. (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)

Spektakulär überwölbt

Seit Dezember 2023 hat das schwedische Museum für Wissenschaft und Technik ‚Tekniska Museet‘ in Stockholm einen Erweiterungsbau der außergewöhnlichen Art. Das etwa 1200 m2 große Gebäude namens „Wisdome Stockholm“ beherbergt einen halbkugelförmigen Bau als geodätische Projektionskuppel, den Dome, der von einer Gitterschale als frei geformtes, geschwungenes Dach überwölbt wird. Die für das Gitterwerk entwickelte Holzkonstruktion besteht aus sich kreuzenden, doppelt gekrümmten „Balken aus Brettlamellen“.

Der neue Wisdome Stockholm erweitert nicht nur das Technische Museum in Stockholm, sondern auch die Möglichkeiten des Holzbaus auf besondere Weise. Denn das Gitterwerk setzt sich ungewöhnlicherweise aus Furnierschichtholz-Brettlamellen zusammen. Die Ingenieure setzten bei dem komplexen Tragwerk zum einen auf traditionelle Holzbautechnik, zum anderen auf parametrische Planung im 3D-Computer-Modell.

Wie es zu dem spektakulären Neubau kam

Der geladene Architekturwettbewerb des Tekniska Museet Stockholm sah ein „bahnbrechendes Design für ein spektakuläres Gebäude vor“.

Mit Stora Enso als Hauptsponsor und Jurymitglied des „Projekts Wisdome“ gab es zudem die Vorgabe, für die Tragstruktur als Hauptmaterialien das stora-enso-eigene Brettsperrholz (BSP) und Furnierschichtholz (FSH) zu verwenden und es auf außergewöhnliche Art und Weise zu nutzen. Das von Elding Oscarson Architects aus Stockholm und dem Ingenieurbüro DIFK von Florian Kosche aus Oslo entworfene Gebäude mit Dome und darüber gewölbter Gitterschale aus Fichten-FSH ging als Siegerprojekt aus dem Wettbewerb hervor.

Der Neubau grenzt auf der Nordseite an das bestehende Museumsgebäude, weshalb er nur an drei Seiten ein Vordach und eine Glasfassade hat. Der 12 m hohe Dome mit einem Durchmesser von 22 m beherbergt ein 360°-Kino mit 3D-Erlebnis und gibt mitunter die Geometrie der stützenfreien Dachkonstruktion vor. Sie ist auf der einen Seite stark gekrümmt und erreicht eine Höhe von etwa 15 m, auf der anderen Seite läuft sie flach aus.

Längsschnittmodell durch den Erweiterungsbau mit halbkugelförmigem Dome, der die Form der ihn überwölbenden Gitterschale bestimmt. Im Scheitel erreicht die Dachkonstruktion 15 m Höhe. (Bildquelle: Elding Oscarson Architects)
Der Erweiterungsbau fügt sich mit einer Längsseite an den Bestand an. (Bildquelle: Design-to-Production)

Gitterschale für stützenfreies Dachtragwerk

Die Herausforderung lag vor allem darin, eine durchgehende Konstruktion für ein Dach mit dieser außergewöhnlichen Geometrie zu finden, die eine Fläche von 48 m Länge und 26 m Breite stützenfrei überspannen kann. Hinzu kam, dass der Entwurf eine deutlich sichtbare FSH-Struktur für die Dachkonstruktion vorsah, die sich von der glatten BSP-Konstruktion des Kuppelbaus darunter abheben sollte.

Als Ergebnis kam ein Gitterwerk aus fünf kreuzweise angeordneten Balken- bzw. Trägerlagen heraus, von denen drei Träger in Querrichtung und zwei in Längsrichtung des Gebäudes spannen. Dabei besteht jeder Träger aus 5 x 31 mm dünnen, übereinander gelegten FSH-Brettlamellen und kommt damit auf eine Höhe von 15,50 cm. Die Brettlamellen wurden über die Trägerhöhe brettweise nach unten abgestuft, damit die Konstruktion von unten schlanker erscheint.

Dachstruktur des 26 m breiten und 48 m langen Gebäudes mit aufgewölbtem Längsrand zum Bestandsbau hin. (Bildquelle: Blumer Lehmann)
Die Brettlamellen der untersten Lage wurden werkseitig in ihre jeweilige gekrümmte und verdrehte Trägerform verklebt. Nach der Montage dienen sie als exakte Basis für den weiteren Aufbau. So konnten die folgenden vier Trägerlagen aus jeweils fünf CNC-geschnittenen Brettlamellen auf die Schub- und Kreuzdübel gestapelt werden. (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)
Ein rundum verlaufender doppelter Randbalken, der reissverschlussartig ausgenommen ist, nimmt die Träger aus Brettlamellen auf. Der Achsabstand der Träger in Quer- und Längsrichtung ist in den Auflagern konstant, verändert sich dann aber über die Abwicklungslänge aufgrund der gewölbten Ausformung des Daches. (Bildquelle: SJB Kempter Fitze AG)

Kreuz- und Schubdübel als Holz-Holz-Verbindungen

Die Philosophie, das Holztragwerk auch mit Holz-Holz-Verbindungen zu realisieren, führte dazu, entsprechende Verbindungstypen ebenfalls aus FSH zu entwickeln. Und so entschied sich das mit solchen Planungsprozessen erfahrene Ingenieur-Team für zwei sehr häufig vorkommende Verbindungstypen: die Kreuz- und die Schubdübel.

Dabei übernehmen die Kreuzdübel in Form von rund gedrechselten, konischen Kegeln die Verbindung der fünflagigen Träger in den Kreuzungspunkten auf, und die mit einem trapezförmigen Zapfen versehenen Schubdübel die Übertragung der Schubkräfte zwischen den Kreuzungspunkten. Diese traditionelle Bauweise einer klebstofffreien Verbindung der Träger durch Schubdübel in Kombination mit modernster Computer- und 5-Achs-CNC-Technik macht das Gebäude selbst zu einem verblüffenden Ausstellungsobjekt im Museum.

Explosionszeichnung der fünf Trägerlagen aus je fünf FSH-Brettlamellen, die durch Kreuz- und Schubdübel (rot) verbunden sind. Die Gitterschale besteht aus fast 3.000 einzeln gefertigte Teilen und 2.500 geometrisch komplexen Verbindungen. (Bildquelle: Design-to-Production)
Die Brettlamellen-Träger der obersten Lage – einzige Lage ohne Abstufung der Lamellen – sind in den reißverschlussartigen Aussparungen der Randträger wie in einer Gabellagerung seitlich unverschieblich gehalten und zusätzlich von oben verschraubt. (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)
Die Montage der Träger bzw. der Lagen der Brettlamellen erfolgte mit Hilfe eines Lehrgerüsts. Lagen- und paketweise wurde das Gitterwerk vervollständigt. Die unterste als einzige verklebte Trägerlage dient beim Montageablauf als exakte Schablone für die Dachgeometrie. (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)

Zeitplan perfekt eingehalten

Anfang Mai 2021 hat das Projektteam rund um Blumer-Lehmann mit der Ausführungsplanung für den Holzbau begonnen, Anfang September 2022 starteten bereits die knapp viermonatigen Bauarbeiten. Auf diese Weise konnte das neue Schmuckkästchen „Wisdome Stockholm“ des Tekniska Museet im zentralen Stockholmer Stadtbezirk Östermalm trotz vieler Herausforderungen pünktlich an den Bauherrn übergeben und Anfang Dezember 2023 eröffnet werden. Seitdem reißt der Besucherstrom nicht ab.

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag in Zusammenarbeit mit M.Eng. Stefan Rick, Projektverantwortlicher Ingenieur bei der SJB Kempter Fitze AG

Außenansicht mit Glasfassade an den Stirnseiten und der bestandsabgewandten Längsseite (Foto: Tekniska Museet – Anna Gerdén)

Projektdaten im Überblick

Projekt: Wisdome Stockholm im Tekniska Museet (Technik-Museum), Stockholm, Schweden

Bauzeit Tragkonstruktion: Juni 2022 bis Dezember 2022

Bauherrschaft: Tekniska Museet, SE-11527 Stockholm, www.tekniskamuseet.se

Architektur: Elding Oscarson Architects, SE-11527 Stockholm, www.eldingoscarson.com

Design Tragstruktur: DIFK – Florian Kosche AS, N-0179 Oslo, www.difk.no

Konzept Tragstruktur Dach und Dome: Hermann Blumer, Création Holz, CH-9104 Waldstatt, www.creation-holz.ch

Holzbauingenieure Dach und Dome: SJB Kempter Fitze AG, CH-8500 Frauenfeld, www.sjb.ch

Digitale Planung, Projektmanagement, Beratung Holzbau: Design-to-Production GmbH, CH-8703 Erlenbach/Zürich, www.designtoproduction.com

Holzbau-Unternehmen (Produktion + Montage): Blumer-Lehmann AG, CH-9200 Gossau, www.blumer-lehmann.com

Totalunternehmer: Oljibe AG

Holzlieferant, Hauptpartner und Hauptsponsor: Stora Enso, Schweden