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Die Stabilität, Präzision und Form des Bogentragwerks korreliert mit der Stabilität, Präzision und Form des japanischen Langbogens. (Foto: Ragunath Vasudevan)
Der Holzbauarchitekt und Kyudo-Bogenschütze Ragunath Vasudevan vom Architekturbüro schneider+schumacher fungierte zugleich als Bauleiter. (Foto: Ragunath Vasudevan)
Die Vorderseite der Übungshalle mit öffenbaren Schiebetüren und dem mit Lärchenholzschindeln bekleideten Vordach, das als Sonnenschutz fungiert. (Foto: Ragunath Vasudevan)

Trainingshalle von der Bogenform abgeschaut

Die Kampfkunst der Samurai umfasste seit alters her auch das Bogenschießen. Unter dem Namen Kyudo (Kyu = Bogen, Do = Weg) entwickelte sich eine ganzheitliche Sportart, deren Trainingsraum den Namen ‚Dojo‘ trägt. Die japanischen Langbögen weisen eine asymmetrische Form auf. Diese hat den Holzbau-Architekten und Kyudoka (Bogenschützen) Ragunath Vasudevan inspiriert, die geschwungene Bogenform in ein Tragwerk aus Furnierschichtholz-Bogenbindern zu überführen.

Trainingshalle von der Bogenform abgeschaut

In Frankfurt am Main hat ein Bogenschützenverein seine Trainingshalle selbst errichtet. Dabei gelang es dem Architekten Ragunath Vasudevan, der zugleich Mitglied in dem als Bauherrschaft fungierenden Verein Kyudojo Frankfurt am Main e.V. ist, den Selbstbau mit seinen Bogenschützen erfolgreich umzusetzen. Dieser außergewöhnliche Weg ermöglichte es dem Verein, die Baukosten zu stemmen. Des Weiteren stimmte das ausführende Holzbauunternehmen die vorgefertigten Holzbauteile auf die Möglichkeiten des Bogenschießvereins ab und unterstützte das Bauvorhaben zudem mit einer Spende. 

Das Haupttragwerk der rund 27 m langen und etwa 10 m breiten Trainingshalle bilden zehn bogenförmige Hauptträger mit einer variierenden Querschnittshöhe entlang der Trägerachse. Platziert in einem Raster von 3 m spannen diese Bogenträger, die aus jeweils drei Einzelplatten aus besonders festem Furnierschichtholz bestehen, über die rund 10 m Hallenbreite. Die kraftschlüssige Verbindung der vergleichsweise leichten Furnierschichtholz-Einzelplatten zu einem Bogenträger wird von eingeklebten Gewindestangen sichergestellt, woraus biegesteife Rahmenecken resultieren. An dieser Stelle sei ein schönes Ausbaudetail erwähnt: Die auf der Hallenrückseite zwischen den Furnierschichtholz-Bogenträgern integrierten Langbogen-Halterungen. 

Die Gründung der Bogenschießhalle erfolgte auf einem umlaufenden Streifenfundament aus bewehrtem Stahlbeton mit einer 15 cm hohen Aufkantung. Letztere erhielt Anschlussbleche aus rostfreiem Stahl, auf die das Tragwerk aus Furnierschichtholz-Bogenbindern und Brettschichtholz-Stützen platziert wurde. Die Nummerierung und Vorelementierung der Bauteile ermöglichte einen strukturierten Aufbau.

Isometrie der Bogenschießhalle. (Bildquelle: Holzbau Amann)
Für die Montage der Bogenträger am Brettschichtholz-Längsträger bedurfte es der Unterstützung eines Krans. (Foto: Ragunath Vasudevan)
Die kraftschlüssige Verbindung der Furnierschichtholz-Einzelplatten zu einem Bogenträger wird von eingeklebten Gewindestangen sichergestellt. (Foto: Holzbau Amann)
Das Haupttragwerk der Übungshalle wird von zehn Bogenträgern gebildet, deren Querschnittshöhe entlang der Trägerachse variiert. (Foto: Ragunath Vasudevan)
Ein Beispiel für den werkseitigen Vorfertigungsgrad bilden die langbogenartigen Elemente der Vordachkonstruktion. (Foto: Ragunath Vasudevan)
Detail der langbogenartigen Vordach-Bogenelemente. (Zeichnung: Holzbau Amann)

Vordach aus langbogenartigen Elementen

Auf der Hallenvorderseite lagern die Bogenträger auf einem 27 m langen und gestoßenen Brettschichtholz-Längsträger, dessen Befestigung über Einhängeverbinder erfolgte. Dieser Längsträger liegt links und rechts neben der 18 m großen Toröffnung auf Brettschichtholz-Stützen auf, die im Achsraster der Bogenbinder stehen. Über der Toröffnung selbst ist die Unterkonstruktion für das auskragende Vordach abgehängt, die ebenfalls dem japanischen Langbogen nachempfundene ist und auf 19 geschwungenen Bogenelementen aus Furnierschichtholz basiert. Auf die Bogenelemente folgt eine hölzerne Unterkonstruktion für die obenauf montierte Schalung aus sägerauen Rauspundbrettern, final eingedeckt mit Lärchenholzschindeln. Unterseitig wurde das Vordach mit an den Bogenelementen befestigten Furnierschichtholz-Platten bekleidet. Das Tragwerk wird von insgesamt zehn Brettschichtholz-Stützen an den Giebelwänden sowie dazwischen gefügte Querbalken und je einer Stahlauskreuzung pro Seite komplettiert. Die konstruktive Stabilität sichern im Dach zudem je neun Furnierschichtholz-Nebenträger in drei Achsen sowie auf der Hallenrückseite die Windverbände in allen Feldern.

Die Vertikallasten der Bogenschießhalle werden über die Dachkonstruktion auf die Bogenträger und Brettschichtholz-Stützen verteilt und von diesen in das Fundament abgetragen. Den horizontalen Lastabtrag und die Aussteifung stellen zuvorderst die Stahlauskreuzungen sowie die Querbalken der Hallenrückseite sicher.

Als Eindeckung des flach abfallenden Daches sowie die rückwärtige, schräg nach innen geneigte Hallenlängswand und die Giebelwände kamen vorgefertigte Sandwichelemente zum Einsatz. Befestigt sind sie auf den Nebenträgern des Daches respektive den Traversen der Hallenrückseite bzw. den Querbalken und Stützen der Giebelwände. 

Marc Wilhelm Lennartz, St. Goar

Bautafel:

Bauherrschaft, Montage: Kyudojo Frankfurt am Main e.V., 60528 Frankfurt am Main, www.kyudo-frankfurt.de

Baukosten: 210.000 Euro

Architektur, Entwurfsplanung, Bauleitung: Ragunath Vasudevan, 60329 Frankfurt am Main 

Holzbau-Werkplanung und Vorfertigung: Holzbau Amann GmbH, 79809 Weilheim-Bannholz, www.holzbau-amann.de

Tragwerksplanung: B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann GmbH, 60327 Frankfurt am Main, www.bollinger-grohmann.com/de