Die 1964 erbaute Mehrzweckhalle in Ingerkingen wurde umfassend saniert, umgebaut und erweitert. Dabei blieben rund 60 Prozent der ursprünglichen Bausubstanz erhalten. Möglich wurde dies durch ein neues, materialoptimiertes Holztragwerk aus Brettschichtholz. Dieses und die darauf aufbauende Dachkonstruktion waren ausschlaggebend für die Förderwürdigkeit des beispielhaften Sanierungs- und Erweiterungsprojekts, das sich gegen einen Neubau durchsetzte.
Die mehrfach um- und ausgebaute Mehrzweckhalle in Ingerkingen wurde einer Generalsanierung unterzogen. Ziel der Baumaßnahme war es, das Bestandsgebäude sowohl technisch als auch funktional und architektonisch an die heutigen Anforderungen an eine Mehrzweckhalle anzupassen. Dabei wurde der Baukörper durch eine Verschiebung der Südfassade und eine Aufstockung in Holzrahmenbauweise erweitert. Neben der bestehenden Einfeldhalle mit Bühne, Foyer, Küche mit Theke und Kühlraum sind nun Geräteräume, Technik, Stuhllager, Umkleiden, Sanitärräume und ein Vereinsraum integriert. Rund 60 Prozent der ursprünglichen Baumasse blieben beim Umbau erhalten, darunter die Fundamente, die Bodenplatte, Decken sowie die Massivwände im nördlichen Gebäudeteil und der straßenseitige Bühnentrakt.
Die Voraussetzung für den Erhalt des Bestands schuf ein neues Holztragwerk aus Brettschichtholz, das in enger Zusammenarbeit zwischen den Architekten und den Tragwerksplanern entwickelt wurde und das Gebäude überspannt. Es besteht aus einhüftigen Zweigelenkrahmen mit einer Länge von 20,95 m (Höhe: 6,70 m), die im Achsraster der bestehenden Stahlbetonstützen aneinandergereiht sind, wobei die Riegel gelenkig auf dem Bestandsgebäude aufliegen.
Diese Rahmen leiten etwa 60 Prozent der einwirkenden Lasten in die neuen Fundamente im Süden ein und 40 Prozent in den Bestand im Norden ab. Die horizontalen Lasten werden ausschließlich am Fußpunkt der Rahmenstützen abgetragen. Materialoptimiert ausgebildet, folgen die 24 cm breiten Brettschichtholz-Rahmen dem Momentenverlauf und weiten sich trapezförmig zur biegesteifen Ecke hin auf. Die Binder ruhen auf Betonstützen und eine Dachauskragung im Süden schafft einen wettergeschützten Vorplatz vor der Halle.
Die neue Südfassade (traufseitige Wand im Süden) wurde in Holzrahmenbauweise und einer umgedrehten Pfosten-Riegel-Fassade errichtet und das Bestandsgebäude durch eine Aufstockung mit zwei gegenläufigen Pultdächern ergänzt, die neben den Funktionsräumen auch die Halle überspannen. Die Fassade des Holzrahmenbaus besteht aus einer Boden-Leisten-Schalung aus unbehandeltem, sägerauem Fichtenholz mit Standardprofilen 60/40 mm. Die Leisten wurden in Nord-Süd-Richtung verlegt, so dass sie an den West- und Ostgiebeln liegend und an der Nord- und Südfassade stehend eingesetzt wurden. Fenster, Lüftungsauslässe und Wartungstüren der Lüftungsanlage liegen hinter der durchlaufenden Lattung. Optisch wirken die Aufstockung und Erweiterung wie ein den Bestand umschließendes Holzvolumen. Das Bestandsmauerwerk wurde gedämmt und in Anlehnung an den Originalputz verputzt. Die Holzfassade bleibt unbehandelt und wird mit der Zeit vergrauen.
Die Entscheidung, eine Sanierung statt eines Neubaus durchzuführen, wurde mit dem Ziel begründet, die graue Energie zu erhalten, den Erinnerungswert des Gebäudes zu bewahren und die vergleichsweise geringeren Sanierungskosten zu nutzen. Das innovative Holztragwerk, das eine weitgehende Erhaltung des Bestands ermöglichte, führte zudem dazu, dass die Baumaßnahme als Vorbild für viele sanierungsbedürftige Mehrzweckhallen in Baden-Württemberg eingestuft und als förderungswürdig anerkannt wurde.
Für das Projekt erhielt die Gemeinde als Bauherrin Fördergelder in Höhe von 75.600 Euro aus dem Sportstättenbauprogramm vom Land Baden-Württemberg, zusätzlich 360.000 Euro aus dem Ausgleichstock sowie 500.000 Euro aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum. Weiterhin wurde die Maßnahme mit rund 2.200.000 Euro aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ gefördert. Dazu kamen 250.000 Euro über das Programm Holz Innovativ aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung – Innovation und Energiewende (EFRE 2014-2020) in Baden-Württemberg dank der Einstufung „modellhaftes Bauvorhaben“.
Dipl.-Ing (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe, in Kooperation mit Dipl.-Ing. Christine Ryll, München
Bauherrschaft:
Gemeinde Schemmerhofen, Schemmerhofen
Architektur:
Atelier Kaiser Shen Architekten PartGmbB, Stuttgart,
https://atelierkaisershen.de
Tragwerksplanung:
str.ucture GmbH, D-70176 Stuttgart, www.str-ucture.com
Technische Gebäudeausrüstung:
Paul + Gampe + Partner GmbH Beratende Ingenieure, D-73730 Esslingen am Neckar, www.pgp-ingenieure.de
Brandschutzplanung:
wurm Gesamtplanung PartG mbB, D-88214 Ravensburg,
https://sichergutbauen.de
Ausführung Holzbau:
Prinz Holzbau KG, D-88433 Schemmerhofen, www.holzbau-prinz.de
Rückbau:
Roland Späth Abbruch- und Straßenbau, D-88515 Langenenslingen
Rohbau:
Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG, D-88487 Baltringen, https://schmid-baltringen.de
P-R-Fassade:
SEKRA Fenster- und Fassadentechnik GmbH, D-89423 Gundelfingen, https://sekra-fassadentechnik.de/
Schlosser- und Metallbauarbeiten:
Stahlbau Braunger GmbH, D-88471 Laupheim, www.braunger-gmbh.de
Sporthallenausbau:
Diaplan Innenausbau GmbH, D- 83395 Freilassing, http://diaplan.com