Mit dem Bau der Fußgänger- und Radwegbrücke über den Neckar entschied sich die Gemeinde Neckartenzlingen im Landkreis Esslingen für eine neue Generation von Holzbrücken. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung im Frühjahr 2017 war die Art der 96 m langen Konstruktion einzigartig in Deutschland und damit auch ein Vorzeigeobjekt des Holzbrückenbaus. Die Form des nach unten abgestuften Brückenkörpers aus blockverklebtem Brettschichtholz schützt zusammen mit dem Betonbelag das Holz vor Bewitterung.
Die Planer konnten die Bauherrschaft, die anfangs eine Stahlbrücke avisierte, von den wirtschaftlichen und ökologischen Vorteilen einer Holzbrücke überzeugen. Und so leistete die Gemeinde Neckartenzlingen mit der Entscheidung ‚pro Holz‘ nicht nur einen bewussten Beitrag zum angewandten Klimaschutz, sondern erhielt für die Brücke vom Land Baden-Württemberg und von der Region Stuttgart auch eine Förderung von insgesamt 770.000 Euro.
Die knapp 96 m lange und 3 m breite Brücke ist Teil der Streckenführung des Neckartalradweges und fügt sich mit eigener Ästhetik in die Umgebung ein. Sie folgt im Grundriss einer flachen S-Form, die sich an dem anschließenden Wegeverlauf orientiert, sodass Weg und Brücke natürlich ineinander übergehen. Die Feldweiten der als Dreifeldträger angelegten Konstruktion ergeben sich aus Lage und Breite des Flusses und der zu verbindenden Ufer: das Mittelfeld hat eine Spannweite von 44,50 m, die Randfelder jeweils eine von 25,65 m. Das mittlere, gerade Hauptfeld verläuft in einem Winkel von 85 gon über den Neckar. Die beiden Felder über den Vorlandbereichen sind im Grundriss gebogen und folgen einem Radius von etwa 65,25 m. Der Brückenkörper lagert auf zwei Mittelpfeilern und den Widerlagern aus Stahlbeton.
Die Ausformung des blockverklebten Brettschicht(BS-)Holz-Trägers in Brückenlängsrichtung ergibt sich aus der Beanspruchung bzw. der Momentenlinie des statischen Systems und liefert dadurch eine effiziente Materialausnutzung; die Abstufung in Querrichtung dagegen ist Teil des konstruktiven Holzschutzkonzeptes. Um die Brückenträger in sinnvolle Transport- und Montagelängen einteilen zu können, wählten die Ingenieure als Tragsystem den Durchlaufträger mit Gerbergelenken.
Die Gelenke wurden im Mittelfeld, in den Punkten des Momenten-Nulldurchganges, angeordnet; das heißt 10,20 m von den Brückenpfeilern entfernt. Der Dreifeldträger „zerfällt“ damit für die Montage zu zwei im Grundriss gebogenen Einfeldträgern mit 10,20 m langen Kragarmen (Gesamtlänge des Trägers: 35,85 m) und einem 24 m langen Mittelteil als Einhängeträger. Die Gerbergelenke sind damit gleichzeitig die Montagestöße.
Über die Länge der Brücke passt sich die Trägerhöhe entsprechend der Momentenlinie an, sodass sich im Bereich der Stützmomente über den Pfeilern mit rund 2 m die größte Querschnittshöhe ergibt. Für den Einhängeträger haben die Planer über eine Länge von rund 5 m eine konstante Querschnittshöhe von 80 cm gewählt. Lediglich zu den Gelenken hin nimmt sie auf 120 cm zu. Um diese Geometrie zu erreichen, hat man hier BS-Holz der Festigkeitsklasse GL 30c gewählt anstelle von GL 24h.
Der Brückenkörper wurden aus Transport- und Montagegründen sowie aus Gründen einer Leerrohrführung in Richtung der Brückenlängsachse halbiert und besteht somit aus sechs Einzelträgern. An den Außenseiten wurden sie in Höhenabstufungen von 16 cm jeweils 8 cm zurückgenommen, so dass sich ein abgetreppter Querschnitt ergibt. Für diese Geometrie bot sich besonders die Blockverklebung an, da die Bauteile bereits vor der Verklebung zugeschnitten werden können und durch die Verklebung die abgetreppte Form erhalten. Aufwändige Fräsungen wie sie bei Rundungen oder Ähnlichem erforderlich wären, entfallen.
Die Brücke ist nach DIN EN 1995-2/NA (Eurocode 5) als geschützte Bauweise einzustufen. Der seitliche Überstand des Belages sowie die veränderliche Querschnittsbreite sorgen dabei für einen ausreichenden Schlagregenschutz. Darüber hinaus wurde ein geschlossener „dichter“ Belag aus Stahlbeton-Fertigteilen ausgewählt. Für die Entwässerung der Fahrbahn sorgen Längs- und Quergefälle. Zum Holzschutzkonzept der Brücke gehört auch ein Feuchte-Monitoringsystem, das über den Mittelpfeilern in Form einer Feuchte-Mess-Lamelle angebracht ist.
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe, Fabian Wolf (B. Eng. Holzingenieurwesen), Ingenieurbüro Miebach, Lohmar
Standort: Rad- und Fußgängerbrücke, D-72654 Neckartenzlingen, zwischen „Tübinger Straße“ und „In der Steige“
Baujahr: 2017
Baukosten: 1,27 Mio. Euro (brutto), Anteil Holzbau: 510.000 Euro
Bauherrschaft: Gemeinde Neckartenzlingen, D-72654 Neckartenzlingen
Objekt- und Tragwerksplanung:
Ingenieurbüro Miebach, D-53797 Lohmar, www.ib-miebach.de
Bauüberwachung: Ingenieurbüro Miebach mit Ingenieurbüro Blankenhorn, D-72622 Nürtingen, www.ing-blankenhorn.de
Generalunternehmer (Betonbau, Belag):
Gottlob Brodbeck GmbH & Co. KG, D-72555 Metzingen, www.g-brodbeck.de
Holzbau / Konstruktion:
Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG, D-74523 Schwäbisch Hall, www.schaffitzel.de