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Die Lindachbrücke in Schwäbisch Hall überspannt den Kocher als elegantes Bauwerk. Die neue Fuß- und Radwegbrücke – eine Holz-Beton-Verbund-Konstruktion – bietet nun eine direkte Anbindung für Fußgänger und Radfahrer zwischen Bahnhof und der Unterwöhrd-Insel, auf der auch das Globe-Theater steht (im Hintergrund zu sehen), das damit ebenfalls den erforderlichen Zugang erhält. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie – Jürgen Weller Fotografie)
Die Betonschicht des Verbundträgers bildet die Geh- bzw. Fahrbahn der Brücke. Mit einer Breite von knapp 3,90 m schützt die Fahrbahnplatte den Brückenträger darunter vor Witterungseinflüssen wie ein Dach. Zwischen den Schrammborden ist die Fahrbahn 3,40 m breit. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie – Jürgen Weller Fotografie)
Eine flachgeneigte Druckstrebe in Form eines trapezförmigen Stahlhohlkastens bildet das Mittelauflager der Brücke. Für den Anschluss des Strebenkopfes kamen eingeklebte Gewindestangen zum Einsatz. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie – Jürgen Weller Fotografie)

Schön schlank überbrückt

Mit der Lindachbrücke hat Schwäbisch Hall seit 2024 eine neue Fuß- und Radwegbrücke, die den Stadtteil Lindach mit der Unterwöhrd-Insel verbindet. Bei dem aus einem Wettbewerb als Siegerentwurf hervorgegangenen Brückentragwerk sollte von vornherein Holz als Hauptbaustoff eingesetzt werden. Herausgekommen ist ein Hybridbau aus Holz, Beton und Stahl. Dabei überspannt die schlanke Holz-Beton-Verbund-Konstruktion der Geh- bzw. Fahrbahn den Kocherarm als Zweifeldträger mit insgesamt 31 m.

Die Lindachbrücke ermöglicht Fußgängern und Radfahrern nun eine direkte Verbindung vom Bahnhof zur Unterwöhrd-Insel, auf der sich auch das Globe-Theater befindet. Da für Letzteres ein Zugang bzw. eine Zufahrt erforderlich war, hat das Bauwerk zusätzliche Anforderungen zu erfüllen: Zum einen galt es sicherzustellen, dass auch Dienstfahrzeuge, unter anderem ein 22 t schwerer Radbagger, die Brücke nutzen können, zum anderen musste es außer Lieferantenfahrzeugen auch Feuerwehrfahrzeugen möglich sein, bis ans Globe-Theater heranzufahren. Die sich daraus ergebende Zusatz- bzw. Maximallast hatte bei den statischen Berechnungen entsprechenden Einfluss auf die Querschnittsbemessungen der Bau­teile. Dennoch liegt die variable Querschnittsdicke der etwa 31 m langen Brücke bei nur 35 cm bis 90 cm. Ein echtes Novum dabei ist das Mittelauflager. Bislang wurde keine Holz-Beton-Verbund-Brücke mit einer schrägstehenden Mittelstütze realisiert. Und so spannen von den 31 m der Gesamtbrückenlänge rund 21 m frei über den Fluss.

Längsansicht (oben) und Brückenuntersicht (unten). Das Brückenbauwerk ist als zweifeldrige Brücke ausgeführt, bestehend aus zwei blockverklebten Brettschichtholz-Trägern, die über einen Längsstoß verbunden sind. Der Brückenkörper ist auf der Lindachseite (links) eingespannt und auf der anderen Seite verschieblich gelagert. (Zeichnung: schlaich bergermann partner)
Regel-Querschnitt (oben) und Schnitt A-A (zu Bild links) durch den zweiteiligen Holz-Beton-Verbund-Träger. Die Betonplatte „überdacht“ den hölzernen Brückenkörper. Der seitliche Überstand und der sich nach unten verjüngende Querschnitt schützt das Holz vor Schlagregen. (Zeichnung: schlaich bergermann partner)

Brückenkörper stützt flach geneigte Mittelstütze

Konzipiert ist die – auf die Fahrbahnplatte bezogen – knapp 3,90 m breite Brücke als zweifeldrige Holz-Beton-Verbund-Konstruktion. Den Überbau bilden zwei blockverklebte, 30 m lange und 1,65 m breite Brettschichtholz-Träger, deren Höhen zwischen 35 cm und 90 cm variieren, sowie eine 12 cm dicke Verbundplatte aus Ortbeton. Auf der Seite von Lindach wird der Brückenkörper durch eine flachgeneigte Stahlstrebe in Form eines trapezförmigen Stahlhohlkastens gestützt, der im Hochwasserbereich der Kocher zum Liegen kommt. Auf der Seite von Lindach ist der Überbau biegesteif in das Blockfundament eingespannt. Auf der Seite der Unterwöhrd-Insel, wo die Brücke schiefwinklig auf die bestehende Ufermauer trifft, ist er verschieblich gelagert.

Für schlanke Verbundplatte kam Bewehrung aus Edelstahl zum Zug

Der Beton der Verbundplatte wurde nach schwind- und kriecharmen Eigenschaften gewählt. Aufgrund der geringen Fahrbahnplattendicke wurde hier gezielt eine Bewehrung aus höherfestem Edelstahl eingesetzt. Die Brettschichtholz-Träger und die Betonplatte verbinden überwiegend Kerven formschlüssig mitein­ander. Zudem bilden Tellerkopfschrauben, also Vollgewindeschrauben mit axialer Beanspruchung, die Abhebesicherung der Verbundkerven. Am Unterwöhrd-Auflager sichern nachgiebigere Holz-Beton-Verbund-Schrauben, die sowohl senkrecht als auch im 45°-Winkel ins Holz eingedreht wurden, diese Verbindung. Ober- und Unterseite der Träger sind mit unterschiedlichen Radien gekrümmt ausgeführt. Das durch die oberseitige Krümmung erzeugte Längsgefälle sorgt für die Entwässerung der Brücke.

Der blockverklebte Brückenkörper erhielt oberseitig Kerven sowie ober- und unterseitig eine Krümmung mit unterschiedlichen Radien. Über das Längsgefälle der Brückenoberseite erfolgt nach Fertigstellung die Entwässerung. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie)
Senkrecht und im 45-Grad-Winkel eingedrehte Vollgewindeschrauben stellen nach dem Betonieren den Verbund zwischen Holz und Beton her. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie)
Für die Bewehrung der nur 12 cm dicken Fahrbahnplatte wählten die Planenden gezielt höherfesten Edelstahl. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie)
Nach der Betonage und dem Aushärten dient die Betonschicht dem hölzernen Brückenträger auch als „Wetterdach“. (Foto: schlaich bergermann partner – Thomas Fackler)
Einheben von einem der beiden 31 m langen, 9 t schweren Brückenträger per Autokran auf den Widerlagern und Hilfskonstruktionen. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie)
Der zweite Brückenträger wird abgelassen und passgenau neben den ersten platziert. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie)

Geschütztes Holz durch geschlossene Fahrbahn und abgeschrägte Seiten

Die Betonplatte bildet die Fahrbahn der Brücke und schützt zusammen mit der rutschfesten Oberflächenbeschichtung das Holz darunter gegen Witte­rungs­einflüsse. Ebenso sorgen der beidseitige Überstand der Betonplatte und die nach innen abgeschrägten Seiten des hölzernen Brückenkörpers für einen ausreichenden Schutz vor Schlagregen auf die Holzkonstruktion und damit für den baulichen Holzschutz. So ist die Brücke als geschützte Bauweise einzustufen.

Das durch die Krümmung erzeugte sanfte Längsgefälle von der Brückenmitte zu den Auflagern hin sorgt für eine gute Entwässerung bei Regen. (Foto: schlaich bergermann und partner)
Für die Geländer kam eine filigrane und damit transparente Kombination aus Flachstahl-Geländerpfosten und Spiralseilen aus Edelstahl zum Einsatz. Auf den Schrammborden verankert, fassen sie die Fahrbahn dezent ein. (Foto: Schaffitzel Holzindustrie – Jürgen Weller Fotografie)

Lebensdauer bis zu 100 Jahren

Laut dem Bundesverkehrsministerium liegt die Nutzungsdauer von konstruktiv bzw. baulich geschützten Holzbrücken bei 60 Jahren. Mit entsprechender Wartung und Pflege besteht die neue Holzbrücke in Schwäbisch Hall nach Auffassung der Tragwerksplaner jedoch problemlos weitere 40 Jahre darüber hinaus. 

Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Bautafel:

Bauherrschaft: Stadt Schwäbisch Hall

Entwurf, Objektplanung, Tragwerksplanung: schlaich bergermann partner, D-70197 Stuttgart, Projektverantwortliche Ingenieure: Dipl.-Ing. Andreas Keil, Dipl.-Ing. Thomas Fackler, Florian Markert M.Sc., Marc André Schnittcher M. Sc., www.sbp.de

Rohbau / Generalunternehmer: AWUS-BAU GmbH & Co. KG, D-73431 Aalen, www.awus-bau.de

Nachunternehmer Holzbau: Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co.KG, D-74523 Schwäbisch Hall, www.schaffitzel.de

Wettbewerbsgewinn: 2018

Planungszeit: 2021

Bauzeit: 2023 bis 2024