Im Jahr 2017 gewann erneut ein Holzbauprojekt zwei der bedeutenden Architekturpreise in Deutschland. Das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf wurde nicht nur mit dem Deutschen Holzbaupreis 2017 in der Kategorie Neubau, sondern auch mit dem Deutschen Architekturpreis 2017 ausgezeichnet. Auch die Erweiterung der Europäischen Schule in Frankfurt am Main, ausgezeichnet mit einer Anerkennung im Deutschen Holzbaupreis 2017, wurde gleichsam vom Deutschen Architekturpreis 2017 mit einer Anerkennung gewürdigt. Die doppelten Ehrungen belegen das wachsende Selbstbewusstsein des Holzbaus und die öffentliche Anerkennung für das nachhaltige Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen.
Der Deutscher Holzbaupreis bietet alle zwei Jahre die Möglichkeit innezuhalten und die Entwicklung des Holzbaus in Deutschland zu reflektieren. Mit anspruchsvollen Projekten und innovativen Konstruktionen spiegelt die große Vielfalt der Einreichungen die richtungsweisende Bandbreite des Holzbaus wider. Im Folgenden werden Preise, Anerkennungen und ausgewählte Projekte der Engeren Wahl sortiert nach Bauaufgaben und konstruktiven Innovationen vorgestellt. Denn die prämierten Projekte repräsentieren als Best-Practice-Beispiele stellvertretend für viele andere Bauten das gestalterische und funktionale Potential von Holzbauten für immer mehr Bautypen.
> Bauten für Erziehung und Bildung
> Hallenbauten für Sport, Industrie, Infrastruktur
> Büro- und Verwaltungsgebäude
> Vom Ferienhaus bis zum urbanen Wohnen
> Vorfertigung und modularer Wohnungsbau
> Komponenten und Konzepte
> Expressive Sonderbauten
Neben Kitas und Kindergärten sind in den letzten Jahren viele bemerkenswerte, mehrgeschossige Schulbauten entstanden, die mit einem anspruchsvollen Design und einer nachhaltigen Konzeption auch für andere Bauweisen wegweisend sind. Das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf, entworfen von der Arbeitsgemeinschaft Hermann Kaufmann ZT und Florian Nagler Architekten, überzeugt durch eine differenzierte Lernlandschaft, die das didaktisches Konzept mit einer architektonisch anspruchsvollen Gestaltung in Szene setzt. In einem Partizipationsprozess sind markante Räume in einem jugendgerechten Maßstab entstandenen. Das mehrgeschossige Schulensemble fügt sich harmonisch in die Landschaft ein und überzeugt im Passivhausstandard mit einem positiven Energiegewinn, den das Gebäude über das Jahr zielt.
Das Schmuttertal-Gymnasium hat sich in einem hochkarätig besetzten Bewerberfeld gegen Projekte wie die Johannesschule mit Kindergarten auf dem Waldorf-Campus in Berlin durchgesetzt. Die Schule in Berlin ist als Engere Wahl ein weiteres Beispiel für die Vielfalt, die der Werkstoff Holz im mehrgeschossigen Bauen erzeugt werden kann. Mit Ausführungsdetails in bestechender Qualität erregte die Erweiterung der Europäischen Schule in Frankfurt am Main von NKBAK Nicole Kerstin Berganski Andreas Krawczyk viel Aufmerksamkeit. Eigentlich als temporäres Gebäude geplant, gefällt die Erweiterung mit einer klar gegliederten Fassade, die Aluminiumelemente an bewitterten Flächen mit Holz in geschützten Bereichen kombiniert. Die Mischung von Metall-und Holzelementen führt zu einer modernen Optik, die der Witterung dauerhaft standhält.
Neben den Schulbauten, die in diesem Jahr im Fokus standen, fanden aber auch Kinder-, Jugend- und Familienzentren große Anerkennung. Das Kinder- und Familienzentrum in Ludwigsburg-Poppenweiler von der Stuttgarter VON M GmbH fügt sich mit seiner dreigliedrigen Kubatur und Satteldächern in ein kleinteiliges Wohnquartier ein. Von außen wirkt das Zentrum wie aus Reihenhäusern zusammengesetzt, die miteinander verbunden sind. Erst im Inneren eröffnet sich ein lang gestreckter, großzügiger Raum, der vielfältige Veranstaltungen ermöglicht.
Im Gegensatz dazu besticht das Jugendzentrum in Königsbrunn mit einer Komposition aus markanten Volumen. Die Räume des Jugendzentrums für Veranstaltungen, Seminare und Probe sind als massive Kuben ausformuliert, zwischen denen eine Ebene gespannt ist. Unter der Dachebene entsteht ein Foyer, das als Aufenthaltsfläche dient und die Kuben zu einem Ganzen zusammenfügt.
Ergänzend zu den Schulbauten wurden für den Deutschen Holzbaupreis 2017 auch Hallenbauten für Sportstätten vorgelegt. Eine Turnhalle in Haiming von Florian Fischer, Almannai und Fischer Architekten aus München formt aus kostengünstigen Nagelplattenkonstruktionen einen detailreichen Dachstuhl, der mit seinen schlichten, aber grafischen Details den Raum der Sportstätte prägt. Die Turnhalle, die sich mit ihrem schlichten Äußeren in den dörflichen Kontext des Ortes mit 2000 Bewohnern eingefügt, wurde ebenfalls mit dem Deutschen Holzbaupreis 2017 ausgezeichnet. Die Sporthalle der Johannes-Kern-Schule in Schwabach von Heydorn Eaton Architekten aus Berlin hingegen schmiegt sich an einen Geländesprung an. Ungefähr die halbe Höhe des Baukörpers wurde in den Geländeverlauf mit einem Höhenunterschied von drei Metern eingegraben, so dass die Turnhalle mit V-Stützen wie ein leichter, heller Pavillon in Erscheinung tritt. Innen hell und großräumig, fügt sich die Sporthalle leichtfüßig in den städtebaulichen Kontext ein.
Neben Anlagen für Sport und Freizeit spielen Hallenbauten auch in Bereichen wie Industrie, Gewerbe und Infrastruktur eine zunehmend bedeutende Rolle. Die lichte und transparente Konstruktion der Salzlagerhalle in Geislingen ist ein beeindruckendes Beispiel für die enge Verknüpfung von Funktion und aussagekräftiger Gestaltung, die mit einer Anerkennung gewürdigt wurde. Auch ein Betriebsgebäude in Probstzella verdeutlicht wie Holzkonstruktionen heute verkleidet mit ausdrucksstarken Metallfassaden in den Stadtraum hineinwirken. Die innovative Konstruktion aus Buchenbalkenschichtholz erzeugt einen großzügigen Raum, in den von der Seite das Licht durch Fensterbänder hereinfällt.
Das Bausystem für Parkhäuser aus Buchen-Furnierschichtholz, das von der TU München und der Firma Pollmeier entwickelt wurde, zeigt Zukunftsperspektiven für den konstruktiven Holzbau mit Laubhölzern auf. Durch neue Hybridkonstruktionen werden immer schlankere und leistungsfähigere Konstruktionen entwickelt, die in Zukunft auch für Parkhäuser genutzt werden können. Das ausgetüftelte System mit neuen Werkstoffen und Verbindungsmitteln wurde stellvertretend für viele andere Forschungsprojekte mit einer Anerkennung gewürdigt.
Als eines der ersten Gebäude, die mit Holzwerkstoffen aus Laubholz errichtet wurden, zog ein Bürogebäude in Augsburg von lattke architekten in die engere Auswahl ein. Gerade bei diesem Projekt wurde die Pionierarbeit an einem Prototyp gewürdigt, der mit neuen Herstellungsverfahren wie auch neuen Konstruktionsprinzipien experimentiert. Das Büro und Verwaltungsgebäude H7 am Hafen in Münster zeigt, dass der mehrgeschossige Holzbau auch für diese Typologie neue Möglichkeiten anbietet. Durch eine weitreichende Vorfertigung der siebengeschossigen Holz-Hybridkonstruktion entstand eine nachhaltige Architektur, die mit einer signifikanten Terrakotta-Fassade als markante Landmarke am Binnenhafen von Münster steht.
Im Wohnungsbau blickt der Holzbau auf eine lange Tradition zurück. Der diesjährige Deutsche Holzbaupreis 2017 zeigt gerade in dieser Sparte eine große Bandbreite auf, die traditionsreiche Aufgaben und neue Trends umfasst. Das Ferienhaus in Oberreute von Yonder – Architektur und Design in Stuttgart interpretiert die traditionsreiche Aufgabe mit einer durchdachten Kubatur, die einen expressiven Innenraum erzeugt und gleichzeitig immer wieder neue, überraschende Ausblicke auf die Landschaft ermöglicht. Dem Bauen mit skulpturalen Formen in der freien Landschaft stehen andererseits wachsende Aufgaben im urbanen Holzbau gegenüber. Die Aufstockung von Bestandsgebäuden gewinnt zunehmend an Bedeutung in Innenstadtzentren. Die Sanierung und Aufstockung eines ehemaligen Hotels in Donaueschingen wie auch eine Dachaufstockung in Berlin verdeutlichen, dass durch diese Form der Nachverdichtung individuelle Räume mit hoher Qualität entstehen, die bisher ungenutzte Potentiale in Städten nutzen.
Das Unterkunftsgebäude der Bereitschaftspolizei Nürnberg und die Parkplatzüberbauung am Dantebad in München zeigen repräsentativ als Projekte der Engeren Wahl die große Dynamik im mehrgeschossigen Wohnungsbau mit Holz. Die stetig verbesserte Vorfertigung und Konstruktion von Brettsperrholzkonstruktionen ebnen den Weg für immer größere Wohnanlagen. Das innerstädtische Wohnen in Garmisch-Partenkirchen illustriert exemplarisch, dass mit dem modernen Holzbau auch die Entwicklung von Stadtquartieren möglich ist.
Neben mehrgeschossigen Konstruktionen spielt das modulare Bauen eine wachsende Bedeutung im Wohnungsbau. Die industriell gefertigte, modulare Aktivhaus Serie 700 von Sobeck Architekten kann gestapelt oder additiv zusammengesetzt werden. Das hoch flexible System kann individuell an die Bedürfnisse der Benutzer angepasst werden und bietet mit einem ausgeklügelten Fassadensystem eine nachhaltige Nullenergiebilanz. Die Aktivhaus Serie kann als Unterkunft für Flüchtlingsfamilien, Sozialwohnungen oder Singleapartments genutzt werden und wurde für die Vollintegration der richtungsweisenden Haustechnik mit dem Deutschen Holzbaupreis 2017 – Komponenten ausgezeichnet. In der engeren Wahl wurden noch eine Flüchtlingsunterbringung in Ulm Böfingen, das Wohnen für Asylbewerber in Ludwigsburg und ein Wohnheim für Asylbewerber in Freiburg anerkennend hervorgehoben, die allesamt mit einer hohen Vorfertigung Beispiele für einen erschwinglichen und doch qualitätsvollen sozialen Wohnungsbau darstellen.
Die Konzeptstudie für eine Holzbrücke in Stuttgart zeigt stellvertretend wie eng Universitäten und Unternehmen an der Weiterentwicklung des Holzbaus zusammenarbeiten. Der bisher noch nicht realisierte Wettbewerbsbeitrag wurde mit dem Deutschen Holzbaupreis für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Wissenschaft, Planung und Ausführung ausgezeichnet. Materialgerechte Konstruktionen, Aspekte des konstruktiven Holzschutzes, die konkrete Umsetzung der Vorfertigung und die Baustellenlogistik sind Faktoren die auch Forschungsprojekte der TU Stuttgart und des KIT Karlsruhe beschäftigen. Der ICD / ITKE Forschungspavillon 2015/16 der TU Stuttgart kombiniert textile und robotische Fertigungsmethoden im Leichtbau von Segmentschalen. Dünne Furnierplatten aus Buchenholz werden zu einem zweischaliges Konstruktionssystem verbunden. Individuell laminierte und elastisch gebogene Sperrholzstreifen ermöglichen expressive Tragwerke im Zeichen des Leichtbaus. Diesen futuristischen Formexperimenten stehen die praxisnahen Verbindungsstudien des KIT Karlsruher Institut für Technologie zur Seite. Die Karlsruher Studien zu Kontaktverbindungen für Brettsperrholz zielen auf verbesserte Tragfähigkeits- und Steifigkeitswerte von Verbindungen. Leistungsfähige, kraftschlüssige und kosteneffiziente Kontaktverbindungen sollen einen Beitrag leisten, um die Brettsperrholzbauweise als Bausystem weiter am Markt zu etablieren.
Aus der großen Gruppe von Einreichungen ragen immer wieder exklusive Sonderbauten heraus, die ohne hohe funktionale Anforderung frei mit Gestaltungsmöglichkeiten der Holzbau experimentieren. In dieser Kategorie erregte der Pavillon KA300 in Karlsruhe von den Architekten J. Mayer H. und Partner aus Berlin besondere Aufmerksamkeit. Für wenige Monate im Sommer 2016 zog das komplexe Tragwerk mit seinen Licht- und Schattenspiel die Besucher der 300-Jahrfeier in seinen Bann.
Die Webseite Ingenieurholzbau.de informiert über die Herstellung und das Bauen mit geklebten konstruktiven Vollholzprodukten wie Brettschichtholz (BS-Holz), Brettsperrholz (X-Lam oder BSP-Holz), Balkenschichtholz (Duobalken® oder Triobalken®) und Furnierschichtholz.