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Für die Überdachung wurden 50 m³ witterungsbeständiges Lärchen-Brettschichtholz und rund 60 m² Fichten-Brettsperrholz verwendet. (© Shell UK)
Holzdach für E-Tankstellen in London

Ein Ladebaum für Elektroautos - Shell setzt auf Holz

In Portishead, nur wenige Kilometer westlich von Bristol, steht ein „Baum“ auf einem ehemaligen, öden Kreisverkehr. Die Holzkonstruktion vereint zwei Megatrends des 21. Jahrhunderts. Doch damit nicht genug: Im Londoner Stadtteil Fulham entstand zu Beginn des Jahres 2022 aus einer herkömmlichen Tankstelle eine hochmoderne Ladestation.

Elektromobilität und nachhaltiger Holzbau

Elektromobilität und nachhaltiger Holzbau vereinen sich in beiden auffälligen Bauwerken. Das Projekt in Portishead steht gleich neben der Marina der kleinen Küstenstadt. Die günstige Lage am Parish Wharf Leisure Center bietet vielen Menschen die Möglichkeit, ihr Elektroauto aufzuladen, während sie einer anderen Tätigkeit nachgehen. In nur rund 30 Minuten sind die Autos an den Schnellladestationen fertig geladen. Insgesamt gibt es vier Ladeplätze an zwei Ladesäulen, die jeweils zwei Autos gleichzeitig laden können. Ein integriertes LED-System zeigt dem Besucher schon von weitem an, ob eine Ladesäule frei ist.

Gesprenkeltes Licht durch PV-Module

Die Architekten des Hewitt Studios verfolgten mit ihrem Entwurf die japanische Idee des „Komorebi“, Japanisch für „durch das Blätterdach scheinende Sonne“. Das so entstehende gesprenkelte Licht erzeugt an der Ladestation jedoch kein dichtes Blätterdach, sondern die durchscheinenden Photovoltaik-Module, die sich über den vier Ladeplätzen ausbreiten. Die Form des Baums nahmen die Architekten in ihrem Entwurf nicht nur in stilisierter Form - so wird das Licht, das der Baum für die Photosynthese nutzt, nun zur Gewinnung von Strom aus Solarenergie verwendet. Ein Batteriespeicher nimmt die überschüssige Energie auf und gibt die bei Bedarf wieder ab. Die „Leitungsbahnen“ eines Baumes, die normalerweise zur Versorgung der Pflanze mit Wasser und Nährstoffen dienen, sammeln in umgekehrter Weise das Regenwasser und leiten es gezielt in den Boden, wo es wiederum anderen Pflanzen als Nahrungsquelle dient. So entsteht ein ganzheitliches, nachhaltiges Drainagesystem.

Die gesamte Holzkonstruktion konnte in wenigen Tagen montiert werden, da die einzelnen Rahmen bereits im Werk vorgefertigt und als Ganzes zur Baustelle transportiert wurden. (© Shell UK)

Verdeckte Konstruktion

Die nachhaltige Überdachung ist eine Konstruktion aus Stahl und Brettschichtholz (BSH). Verwendet wurden insgesamt sieben Kubikmeter Lärche-BSH höchster Qualität. Auf den ersten Blick lässt sich nicht erkennen, dass sich hinter den vier aufstrebenden Pfeilern ein verstärkter Betonpfeiler befindet, mit dem die Holzkonstruktion fest verbunden ist. Vier weit auskragende Träger in Brettschichtholz gleichen den starken Ästen eines Baums. Sie tragen das ein Gitternetz aus BSH-Balken, über dem die PV-Elemente liegen. Sie sind mit einer leichten Stahlkonstruktion befestigt und bilden ein leicht v-förmiges Dach. Am Tiefpunkt der Konstruktion verläuft eine Regenrinne, die das anfallende Wasser in die seitlich gelegenen Pflanzstreifen abführt.  

Der Anspruch der Architekten, eine edle Optik mit unsichtbaren Verbindungen zwischen den tragenden Elementen zu schaffen, zeigt sich unter anderem in den quer verlaufenden Auskragungen, die mit geschickt verdecktem Schlitzblech mit dem zentralen Säulenelement verbunden sind. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Materialwahl war der Korrosionsschutz der Stahlbauteile, da die Ladestation in unmittelbarer Nähe zum Meer liegt und damit ständig erhöhtem Salzgehalt und Luftfeuchtigkeit ausgesetzt ist.

Kurze Bau- und Planungszeit

Das Projekt erforderte enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. So konnte die Planungs- und Bauzeit auf nur acht Monate begrenzt werden. Einen zusätzlichen Zeitgewinn brachte der Vorteil, dass die Brettschichtholzkonstruktion im Werk von Hess Timber vorproduziert wurde und anschließend fertig zur Endmontage nach England auf die Baustelle geliefert wurde. Die neue Kombination aus Schnelladestation und Solarpanel findet auch in Fachkreisen Beachtung. Das Projekt erhielt den Structural Timber Awards in der Kategorie “Product Innovation”

Ladestation in London Fulham

Gleich neun leistungsstarke Ladesäulen betanken in kürzester Zeit Elektroautos in London Fulham. Das Unternehmen Shell will mittelfristig ein Netz aus 5.000 Ladeplätzen in ganz Großbritannien aufbauen. Diese Station ist eine der ersten im neuen E-Ladenetz. Die Ladeplätze reihen sich beidseitig eines Erschließungsweges auf – sechs auf der einen, drei auf der anderen Seite. Die vor den Umbauarbeiten herkömmliche Tankstelle bietet neben der Lademöglichkeit aber auch noch einen kleinen Lebensmittelladen, ein Café und einen komfortablen Wartebereich. Die Ladeplätze sind mit einer gebogenen Brettschichtholzkonstruktion überdacht, auf deren Dach Brettsperrholz- und Photovoltaik-Elemente verbaut wurden. Die Konstruktion ist einfach gehalten. Massive vertikale BSH-Stützen tragen die auskragenden gebogenen Dachträger. Insgesamt wurden 50m3 Lärchen-Brettschichtholz und 60 m2 Fichten-Brettsperrholz verbaut. Letzteres ist statisch relevant und steift die Gesamtkonstruktion aus. Die Konstruktion wurde im Werk vorgefertigt und konnte in wenigen Tagen montiert werden.

Beide Beispiele zeigen, dass der Gedanke der erneuerbaren Energien sich nicht nur in der Wahl des Antriebs widerspeigelt, sondern auch das Baumaterial mit gleichem Maß gemessen wird – eine große Chance für den Holzbau, in der Fläche wiedergefunden zu werden.

(Christina Vogt, Gladbeck)