Unter dem Dach des ehemaligen Güterbahnhofs nördlich der Innenstadt Brüssels entstand ein neuer Einkaufs-, Gastronomie- und Veranstaltungskomplex. Zwölf frei eingestellte reine Holzbauten mit insgesamt 45.000 m² Fläche spielen dabei die Hauptrolle – ohne dem liebevoll restaurierten Industriedenkmal die Schau zu stehlen.
Der Gare Maritime setzt sich aus drei 1907 als filigrane Stahlkonstruktion fertiggestellten Hallen zusammen, die gemeinsam mit vier flankierenden Nebenhallen einen durchgängigen, 140 x 280 m großen und dank großflächiger Oberlichter auch lichtdurchfluteten Raum ausbilden. Oberstes Ziel der Umbaumaßnahme war es, den einzigartigen Charakter dieses Raumkontinuums zu erhalten. Also konzipierte das Büro Neutelings Riedijk Architects insgesamt zwölf freistehende Holz-Pavillons, die es an den Rändern platzierte, um in der Mitte eine riesige, teils begrünte Freifläche schaffen zu können.
Hinsichtlich ihres Tragwerks sind die jeweils fünf Pavillons, die sich in den beiden seitlichen Haupthallen aneinanderreihen, sowohl zur historischen Stahlkonstruktion als auch zu den Nachbarpavillons vollkommen eigenständig. Untereinander sind sie lediglich über scherenförmige Treppenanlagen verbunden. Jeder Pavillon verfügt über einen aussteifenden Erschließungskern aus Brettsperrholzwänden. Darum herum entstand ein Holz-Skelettbau mit Stützen aus Brettschichtholz sowie Decken aus Brettschichtholzträgern und Brettsperrholzplatten.
Um in den Obergeschossen unter den 24 m hohen Hallendächern frei bespielbare, weitgehend stützenfreie Bereiche zu ermöglichen, kamen konisch zugeschnittene Kragträger zum Einsatz. Aufgrund der hohen statischen Belastung sind sie in Furnierschichtholz ausgeführt, wobei deren Oberflächen im Sinne eines homogenen Gesamterscheinungsbilds der Konstruktion mit Dreischichtplatten bekleidet sind.
Während alle zum Tragwerk gehörenden Bauteile konsequent aus unbehandeltem Fichtenholz bestehen, sind sämtliche Fassaden- und Fensterelemente, Fußböden, Geländer etc. in geölter Eiche ausgeführt. Die klare Entscheidung für nur zwei Holzarten macht nicht nur den tektonischen Aufbau der Pavillons nachvollziehbar, sie unterstreicht auch die respektvolle gestalterische Zurückhaltung, mit der sich die Holzbauten perfekt in die ehrwürdigen Bahnhofshallen einfügen.
(Roland Pawlitschko, München)
Ort: Brüssel, Belgien
Baujahr:
9/2018–11/2019 (Holzbau)
Fertigstellung: 2020
Architekt:
NEUTELINGS RIEDIJK ARCHITECTS, Rotterdam
www.neutelings-riedijk.com
Ingenieur:
Ney & Partners, Brüssel
https://ney.partners/
Investor:
Extensa Group, Brüssel
Auftraggeber:
CFE Bouw Vlaanderen nv, Antwerpen
Planung, Herstellung und Montage der Holzkonstruktion:
ZÜBLIN Timber GmbH
www.zueblin-timber.com/
Verwendete Produkte:
Brettschichtholz, Brettsperrholz sowie (Kerto-)Furnierschichtholz
Materialverwendung:
3030 m3 BSH, 6020 m3 BSP, 135 m3 Fichten-Furnierschichtholz
Nutzfläche: 45.000 m2
Baukosten:
60 Mio. €; 12,1 Mio. € davon für den Holzbau