Seit seiner Eröffnung Ende 2019 zieht das Hotel Bergamo an der Bauhofstraße in Ludwigsburg die Blicke auf sich. Der monolithische Quader in weiß bringt die Hotelgäste mit dem Thema Holzbau in Berührung und wirbt mit positiver Strahlkraft als starker Botschafter für den Holzbau weit über die Stadt hinaus. Kürzlich wurde der Neubau mit dem Deutschen Holzbaupreis 2021 ausgezeichnet.
Das Hotel Bergamo fällt erst auf den zweiten Blick als Holzbau auf. Die Fassade aus weißen Faserzementplatten und die fassadenbündigen Fenster verleihen ihm ein ebenso schlichtes wie elegantes Aussehen, verraten aber nichts von der warmen Ausstrahlung des Gebäudeinneren. Eine der Vorgaben der Stadt bestand in der Verwendung von Holz. Ziel des Entwurfs war zudem, Akzente in architektonischer, bautechnischer und ökologischer Hinsicht zu setzen. Dabei spielte die maximale Reduzierung des CO2-Ausstoßes sowohl bei der Errichtung als auch im Betrieb eine entscheidende Rolle.
Für ein Hotel mit sich wiederholenden „Wohneinheiten“ in allen Etagen bot sich die Modulbauweise als Serienfertigung an. Unter- und Erdgeschoss sowie der Treppenhausturm mit Aufzug sind in Stahlbeton ausgeführt. Wie auf einem Tisch stehen darauf die vorgefertigten Raummodule der vier Geschosse und reihen sich beidseitig der zentralen Flure aneinander bzw. gruppieren sich um den Erschließungsturm herum. Für das Dachgeschoss kamen entsprechend der gekappten Mansardendachform anders ausgeformte Module zum Einsatz. Mit rund 15,30 m Höhe ist der fünfgeschossige Neubau der Gebäudeklasse 4 zugeordnet. Mit etwa 28 m Länge und 11,50 m Breite bietet er Platz für 55 Zimmer.
Jedes Raummodul ist ein statisch in sich stabiler Kubus. Die knapp 5 m langen, 3,75 m breiten und rund 2,80 m hohen Boxen setzen sich aus entsprechend zugeschnittenen 10 cm dicken Brettsperrholz-Platten für die Wände, ebenso dicken Brettsperrholz-Scheiben für die Böden bzw. 6 cm starken Scheiben für die Decken zusammen. Durch Reihen und Stapeln ergeben sich als Trennwände bzw. Geschossdecken jeweils zweischalige Konstruktionen. Zur Minimierung von Schall sind zwischen den Wänden 2 cm dicke Dämmschichten eingefügt. Um die Schallübertragung auch zwischen den Geschossen so weit wie möglich zu dämpfen, sahen die Architekten auf den Wandkronen der Raummodule dünne Neoprenstreifen vor. Aus Schallschutzgründen sind die Boxen auch untereinander nicht verbunden. Die Gebäudeaussteifung erfolgt über den Stahlbeton-Erschließungskern für Treppenhaus und Aufzug. Entsprechend kommt den Holzmodulen keine aussteifende Funktion zu, was eine einfache und materialsparende Konstruktion ermöglicht.
Die Vorfertigung der 44 Raummodule erfolgte im Werk. Dort wurden sie fix fertig, inklusive „Raum im Raum“-Sanitäreinrichtungen, und witterungsunabhängig hergestellt. So war vor Ort weder Baustelleneinrichtung noch Lagerfläche erforderlich – beides Vorteile beim Bauen im innerstädtischen Bereich. Die mit den Raummodulen beladenen Lkw fuhren aus dem steirischen Herstellwerk zunächst zu Zwischenstationen außerhalb von Ludwigsburg. Von dort lieferten sie die Module auf Abruf nach und nach auf die Baustelle, wo sie sofort per Kran eingehoben und montiert wurden. Das Reihen und Stapeln der Raumzellen aller vier Geschosse dauerte nur eine Woche. Oder genauer gesagt: Pro Tag konnte ein Regelgeschoss aus 13 Modulen versetzt werden bzw. das Dachgeschoss, einschließlich der zwischen den Modulen anzubringenden Korridorplatten. Einen weiteren Tag benötigten die Monteure fürs Abdichten, Anschließen und das Schaffen der Übergänge.
Eine Sonderstellung nimmt das Dachgeschoss mit nur fünf Modulen ein. Nicht nur hat sich durch die Form des Mansardendaches die Grundrissfläche verkleinert, sondern die Form hat auch einige statische Herausforderungen verursacht. Das führte dazu, dass nicht – wie in den Geschossen darunter – die Schmalseiten der Raummodule die Gebäudeaußenseite bilden, sondern die Längsseiten. Diese Sondermodule machten aufgrund ihrer Abmessungen und ihrem Gewicht einen 300-Tonnen-Kran zum Einheben erforderlich.
Insgesamt wurden 440 m3 Holz verbaut, der Einsatz von CO2-intensivem Beton ließ sich durch das verbaute Holz jedoch kompensieren. So ist am Ende ein CO2-neutrales Haus entstanden.
(Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe)
"(...)Der Neubau des Hotels überzeugt durch seine prägnante Fassadengestaltung und sein äußerst nachhaltiges Konstruktionsprinzip in Holzmodulbauweise. Das Hotel nimmt die Körnung der bestehenden Gebäude auf und fügt sich harmonisch in die historische Umgebung ein. Durch die klare strukturierte Fassadengestaltung gelingt es den Verfassern an der Stadtterrasse ein markantes Hotel von hoher Identität zu schaffen.
Die bis in den Innenausbau vorgefertigten containerartigen Raummodule ermöglichten eine schnelle Bauzeit und ein sehr wirtschaftliches und nachhaltiges Konstruktionsprinzip. Die Holzmodule sind im Inneren des Hotels spürbar und verleihen den Zimmern eine warme Atmosphäre. Die Außenfassade überrascht durch ein prägnantes Kleid aus FaserzementSchindeln, das zunächst von außen betrachtet keine Holz-Modulbauweise erwarten lässt. Genau dieses Zusammenspiel von außen und innen macht das Hotel zu einem außergewöhnlichen und sehr nachhaltigen Gebäude mit hoher gestalterischer Qualität. "
Hotel Bauhofstraße
2019
Bauhofstraße 4
71634 Ludwigsburg
Bauherrschaft
Fedor Schoen GmbH & Co. KG, Korntal-Münchingen
Architektur
VON M GmbH, Stuttgart
Fachplaner
Tragwerksplanung: merz kley partner ZT GmbH, Dornbirn, Österreich
Bauphysik: Kurz + Fischer GmbH, Winnenden
Gebäudetechnik: Ingenieurbüro Staudacher GmbH & Co. KG , Ulm
Brandschutz: Halfkann + Kirchner PartGmbH , Stuttgart
Holzbau:
Kaufmann Bausysteme GmbH, Reuthe, Österreich
Bauleitung
Jo Carle Architekten PartGmbH, Stuttgart
Energiestandard
KfW-Effizienzhaus 55
Bruttogeschossfläche
2.058 m²
Gebäudevolumen
6.103 m³
Gebäudekosten
KG 300 + 400 ca. ca. 6,7 Mio. € brutto
Gesamtkosten
ca. 8,1 Mio. €