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Innerhalb von 2 Wochen ist der Wohnturm auf sechs Geschosse hochgewachsen. (Foto: PIRMIN JUNG)
Mineralischer Unterbau mit hochgezogenem Holzbau aus Brettsperrholzelementen (Foto: PIRMIN JUNG)
Vom Fabrikgelände zum Wohn-Gewerbe-Areal

Umwidmung mit Brettsperrholz

Aufgrund fortschreitender Urbanisierung, Flächenknappheit und Wohnraummangel erfahren auch städtische Randzonen zunehmend Beachtung. Im Rahmen der Umnutzung eines ehemaligen Betriebsgeländes zu einem Wohn-Gewerbe-Areal wurde im Hamburger Süden aus einem alten Getreidesilo ein Wohnturm, der die neuen holzbaulichen Möglichkeiten der Metropolregion symbolisiert. 

Kubatur gibt Richtung vor 

Auf insgesamt sechs Geschossen sind zehn Wohnungen entstanden mit jeweils ca. 86m², die über einen Aufzug barrierefrei erschlossen sind. Die Grundrisse sind identisch und beinhalten einen offenen Wohn-, Ess- und Kochbereich, sowie Schlafzimmer, Bad, Diele und Balkon. Das für den Hamburger Süden untypisch hohe Wohngebäude ist auf die Kubatur des alten Silos zurückzuführen und konnte nur aus diesem Grunde heraus in dieser Geschossigkeit ausgeführt werden.

Erschließung urbaner Randzone 

Im direkten Anschluss an den Wohnturm befinden sich ein Supermarkt sowie weitere Gebäude für die öffentliche Infrastruktur. Das Areal wird durch diese Gebäude begrenzt und umschließt die Parkfläche, die auch für Wochenmärkte und andere Veranstaltungen genutzt werden kann. Die urbane Randzone erfährt zunehmender Beachtung, um neuen Wohnraum im Randbezirk Hamburgs zu schaffen und ist somit ein Blickfang auf dem flachen Land.

(Foto: PIRMIN JUNG)

Tragwerksplanung

Das statische Konzept beruht auf drei Hauptachsen, bestehend aus den Außenwänden sowie der Wohnungstrennwand in der Mitte des Gebäudes. In diesen Achsen ist der vertikale Lastabtrag über tragende Brettsperrholzelemente definiert.

Der horizontale Lastabtrag infolge Windlasten findet über den massiven Treppenhauskern statt. Die Einwirkungen werden über die Dach- und Deckenscheibe an den massiven Kern weitergeleitet. Zusätzlich werden zwei Wandscheiben aus Brettsperrholz auf der dem Treppenhaus gegenüberliegenden Seite herangezogen, um eine Verdrehung des ungünstig liegenden Aussteifungskerns zu verhindern.

Die Grundrisse wiederholen sich auf jeder Etage. (Abbildung: PIRMIN JUNG)

Übersicht Bauteile

Die Außenwände wurden als Brettsperrholzelemente geplant. Die äußere Bekleidung besteht aus eine vorgehängten, hinterlüfteten Fassade aus HPL-Platten. Diese Fassade beinhaltet die Dämmebene aus Mineralfaserdämmung. Die innere Bekleidung wurde mit zwei Lagen GFP 18mm ausgeführt. Die tragende Außenwand ist in den unteren Geschossen mit einer 140mm starken Brettsperrholzplatte und in den oberen mit einer nur 100mm dicken BSP-Platte ausgeführt.

Abbildung: Außenwand (PIRMIN JUNG) 

 

 

Die Anpassung der Wanddicke diente der Wirtschaftlichkeit und der Materialeinsparung. 

Die Wohnungstrennwand in der Gebäudemitte besteht aus einer zweischaligen Massivholzkonstruktion, die wohnungsseitig ebenfalls mit zweimal 18mm GFP verkleidet ist. (Abbildungen: Pirmin Jung) 

 

Abbildung: Wohnungstrennwand (PIRMIN JUNG) 

 

 

Detaillösungen

Das Dach besteht aus einfachen liegenden Brettschichtholzelementen, die die aussteifende OSB-Platte tragen sowie die Dachdämmung und die Dachabdichtung. Der definierte Lastabtrag in den drei Hauptachsen erfolgt über die Brettsperrholzelemente. Die Vertikal-Kräfte werden hierbei über eine Art Zapfenverbindung weitergeleitet. Diese Zapfen dienen als Auflager, der darüber liegenden Wand.

 

 

Durch die Holz-Beton-Verbunddecke (HBV-Decke) mit einer Holzdicke von 140mm und einer Betondicke von 120mm werden Spannweiten von bis zu 6 Meter überbrückt – bei gleichzeitiger Brandbeanspruchbarkeit von 90 Minuten in Sichtoptik. Die aussteifenden Wandscheiben gegenüber dem Treppenhauskern sind mit einer 100mm starken Brettsperrholzwand ausgebildet.

„Der Wohnturm ist ein Orientierungspunkt für Kirchwerder und ein Leuchtturm-Projekt für das Bauen mit Holz in der Gebäudeklasse 5 im Jahr 2013!“

Florian Willers Projektleiter Tragwerksplanung
PIRMIN JUNG Deutschland GmbH

Brandschutzkonzept

Mit einer Höhe von 21,5m ist der Wohnturm in die Gebäudeklasse 5 eingeteilt. Die damalige HBauO (Fassung vom 14. Dezember 2005) forderte zu dem Zeitpunkt für die Gebäudeklasse 5 eine feuerbeständige Bauweise – F90-A.

Außenwand- und Wohnungstrennwandbauteile sind auf eine F90-B/K260-Konstruktion ausgelegt. Der massive Treppenhauskern, der als erster Rettungsweg definiert wird, ist in Brandwandqualität (REI90-M) ausgebildet.

Ausgehend von diesen Anforderungen konnten die einzelnen Bauteile definiert werden. Der Einsatz des gekapselten Brettsperrholzes an den Außen- und Innenwänden erfolgte aus dem Aspekt der Hohlraumbrandvermeidung. In Verbindung mit der in Sichtoptik ausgeführten HBV-Decke kann ein Übergreifen des Brandes auf eine andere Nutzeinheit ausgeschlossen werden.

Ein wichtiger Aspekt des Konzeptes ist die Sicherstellung des 2. Rettungsweges. Dieser ist in Absprache mit der Feuerwehr über das Anleitern mittels Drehleiter festgelegt. Es sind zwei Aufstellflächen für die Drehleiter vorgesehen. Nur dadurch wird erreicht, dass die Wohnungen auf der Rückseite ebenfalls angeleitert werden können. Hierzu sind die kleinen Balkone auf der Rückseite als Fluchtbalkone definiert, die über die Drehleiter erreicht werden können.

Im Brandschutzkonzept sind weitere Kompensationsmaßnahmen beschrieben.

Das Brandschutzkonzept vom Büro Dehne & Kruse - Brandschutzingenieure belegte, dass der Holzbau in der hier geplanten Weise kein zusätzliches Sicherheitsrisiko darstellt. (Abbildung: PIRMIN JUNG)

Schallschutz

Im Holzbau ist der Schallschutz durch die geringere Masse im Aufbau eine Frage der Detaillösung und der fachgerechten Ausführung dieser Details. Die hier eingesetzten Bauteilaufbauten und Detaillösungen erfüllen die Anforderungen der DIN 4109:1989 Bbl. 2.

Die Decke zwischen den Nutzeinheiten besteht aus der HBV-Decke mit 140mm Holz und einem Betonspiegel mit einer Stärke von 120mm. Die 140mm Holz resultieren aus der Heißbemessung, die für einen Abbrand von 90 Minuten geführt wurde. 

 

 

 

Wärmeschutz 

Auf Grund des Außenwandaufbaus mit der VHF und der integrierten Dämmebene ist der Transmissionswärmeverlust gering. Hier konnte die thermische Gebäudehülle den damaligen Standard KFW 55 erreichen, eine dezidierte Wärmebrückenberechnung musste dazu allerdings durchgeführt werden.

Die Gas-Brennwerttherme wird von einer Solarthermieanlage unterstützt. Die Anlagen-technik ist auf dem Stand des damaligen KFW 70-Standards, so dass unter dem Strich das Gebäude die KFW70-Anforderungen erfüllt wird.

 

 

 

Projektdaten im Überblick

Standort:
Süderquerweg 101
DE-21037 Hamburg

Bauherr:
Grundstücksgesellschaft Süderquerweg
Kohpeiß GmbH & Co. KG
DE-21037 Hamburg

Entwurfs und Genehmigungsplanung:
Architekturbüro Joachim Schmidt, Braunschweig

Ausführungsplanung und Bauleitung:
Mennerich GmbH
DE-28199 Bremen

Holzbau:
Kohbau Holz- und Baustoffhandel GmbH
DE-21037 Hamburg

Fertigstellung:
2015

Holzbau Werkplanung/Statik/Schallschutz;
PIRMIN JUNG Deutschland GmbH, Sinzig
www.pirminjung.de

Holzbau Montage:
Holzbau-Erge, Wettin-Löbeyün
www.holzbau-erge.de

Vorfertigung BSP-Elemente:
Stora Enso Wood Products, Pfarrkirchen
www.storaenso.com

Vorfertigung BSH-Elemente:
Nordlam GmbH, Magdeburg

Brandschutz:
Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. KG,Gifhorn
www.kd-brandschutz.de

C02-Speicherung: > 275 Tonnen  

Bild- und Textquelle: PIRMIN JUNG