Für die Feierlichkeiten zum 300. Gründungstag der Stadt Karlsruhe konzipierten die Berliner Architekten Jürgen Mayer H. und Partner einen temporärer Veranstaltungspavillon mit einer dynamischen Holzkonstruktion aus Stabprofilen. Eine Gitterstruktur aus 72 horizontalen Trägern und 98 unterschiedlich geneigte Stützen aus Brettschichtholz umgaben einen Veranstaltungssaal, eine Cafeteria und eine Infothek.
In der Zeit vom 17. Juni bis 27. September 2015 war der Pavillon im Schlosspark ein beliebten Treffpunkt und zentraler Veranstaltungsort der Feierlichkeiten zum 300. Gründungstag der Stadt Karlsruhe. Vielfältige Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Theater- und auch Filmaufführungen fanden in einem integrierten Saal mit Bühne und dem Café statt. Auf einer Nutzfläche von rund 1.000 m² boten im Erdgeschoss der Veranstaltungssaal mit Bühne, die Cafeteria und eine Infothek Raum für 300 bis 600 Besucher.
Das durch zum Teil bewegliche Membranen wettergeschützte Volumen belief sich auf 2.800 m³, insgesamt umfasste die Hüllgeometrie der auskragenden Stabkonstruktion 12.700 m³. Besonders beliebt waren beim Publikum die Ausstellungsebene sowie zwei Aussichtsplattformen mit Rundblick auf den denkmalschützten Schlossgarten.
Die konzeptionelle Idee der offenen Struktur im Schlosspark ging auf den barocken, geometrischen Grundriss von Karlsruhe zurück, der inspiriert durch das Schloss von Versailles des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. im frühen 18. Jahrhundert für die Residenzstadt Karlsruhe konzipiert wurde. Fortan gingen vom Schloss barocke Strahlen aus, die als Wege und Straßen den Stadtgrundriss prägten wie auch die Parks und Landschaft durchzogen.
Die Architekten Jürgen Mayer H. und Partner transformierten das barocke Liniennetz des Stadtgrundrisses zunächst in ein räumliches Linienfeld und schließlich in eine Holzkonstruktion mit geneigten Stäben. Mit dieser expressiven, skulpturalen Holzkonstruktion aus Stabprofilen überzeugten Jürgen Mayer H. und Partner gemeinsam mit Rubner Holzbau die Jury und gewannen den Wettbewerb mit Bieterverfahren.
Temporäre Bauten ermöglichen einen freien Umgang mit der Formenvielfalt des Holzbaus, weil viele technische Anforderungen bei einer kurzen Nutzungsdauer nicht relevant sind. In diesem Sinne treten auch bei der dynamischen Konstruktion für den Pavillon KA 300 praktische Fragen des konstruktiven Holzschutzes hinter einer spektakulären Form zurück.
Die Konstruktion mit 98 unterschiedlich geneigten Stützen und einer Gitterstruktur aus 72 horizontalen Trägern wurde aus rund 338 m³ Brettschichtholz (Fichte) errichtet und unter dem Einsatz von
30 t Stahlbauteilen, 20.000 selbstschneidenden Schrauben und 2.000 Stahlbolzen Ø 20 x 440 mm zusammengebaut. Mit Plattenwänden und Zugdiagonalen wurde die Stabkonstruktion ausgesteift, die durch die vielen unterschiedlichen Neigungswinkel eine Vielzahl unterschiedlicher Knotensituationen aufwies.
Im Februar 2015 begann die kurze Bauzeit mit montagefertig abgebundenen und grau lasierten Holzelemente von Rubner Holzbau, der als Generalunternehmer auch Zusatzgewerke wie Geländer, Treppen und Teilen der Inneneinrichtung ausführte. Der Leistungsumfang umfasste die Tragwerks-, Ausführungs- und Werkstattplanung sowie Produktion, Lieferung und Montage. Darüber hinaus übernahm Rubner auch den Rückbau im Oktober 2015 und die nachhaltige Wiederverwertung des Pavillons. Der Veranstaltungspavillon wurde auf einer Grundfläche von 52 x 27 Metern mit einer Höhe von 16,4 Metern errichtet.
Grundlage der Ausführungsplanung war ein 3D-Modell der Architekten, das Rubner Holzbau mit der Hilfe von RSTAB detailliert als dreidimensionales Modell weiter ausformulierte. Die Stabstruktur folgte 10 Längs- und Querachsen. Längsträger und Stützen lagen nebeneinander, während die Quer- und Längsträger sich durchdrangen (Stoß im Querträger). Seitlich auskragende Stäbe wurden biegesteif angeschlossen. Für die Modellierung waren rechnerisch 2.800 Stäbe und 2.000 Knoten erforderlich. Für jeden Anschluss ergaben sich in der Detailplanung individuelle Situationen aus Geometrie und Schnittgrößen. Die Anschlüsse wurden von Rubner Holzbau wie folgt beschrieben und ließen sich grob in a) für das Tragwerk charakteristische Anschlüsse und b) unterstützende Strukturen und deren Anschlüsse gliedern:
a) Fundamentanschlüsse wie auch Anschlüsse von Schrägstützen und Längsträger (mit und ohne Längsdiagonalen), Anschlüsse von Längsträger mit Querträger (gelenkig und biegesteif)
b) Substruktur der Fachwerkträger über dem Veranstaltungsbereich, Substruktur des Hängewerks (Auswechslung zweier nicht zum Boden geführter Stützen im Bereich der Cafeteria), Substruktur des Sprengwerks oberhalb der Bühne, stirnseitige Aussteifungskreuze und den Leno-Aussteifungskomplex (Abtrag von Horizontalkräften aus Struktur und Wind)
Bauherr
Stadtmarketing Karlsruhe GmbH, Karlsruhe
Architekten
J. Mayer H. und Partner, Berlin
Tragwerksplaner
Rubner Holzbau GmbH, Augsburg
Holzbau
Rubner Holzbau GmbH, Augsburg
Bauzeit Holzbau
Produktionsbeginn: 11/2014, Richtfest Holzbau: 03/2015, Eröffnung: 20.06.2015
Objektdaten
Dachfläche ca. 52,00 x 52,00 m
BGF: 1.000 m²
BRI: 12.700 m³
Konstruktion
Brettschichtholz 388 m³
98 geneigte, bis zu 19 m lange Stützen
Gitterstruktur aus 72 horizontalen Trägern
30 t Stahlbauteile
Die Webseite Ingenieurholzbau.de informiert über die Herstellung und das Bauen mit geklebten konstruktiven Vollholzprodukten wie Brettschichtholz (BS-Holz), Brettsperrholz (X-Lam oder BSP-Holz), Balkenschichtholz (Duobalken® oder Triobalken®) und Furnierschichtholz.