Die neue Aussegnungshalle in Wolfartsweier ist ein Blickfang auf dem Friedhof des etwas außerhalb gelegenen Stadtteils von Karlsruhe. Nicht nur fällt die besondere Form des Gebäudes ins Auge, sondern auch seine Umsetzung in Holzbauweise, die außerdem mit Holzschindeln bekleidet wurde. Die Planer nutzten vor allem Brettsperrholz für den kubisch gegliederten Baukörper. Neben den sich selbst aussteifenden Konstruktionen erforderte vor allem das weit auskragende Dach eine spezielle Lösung.
Was dieses relativ kleine, aber sehr feine Projekt so besonders macht, ist die ungewöhnliche Kombination eines geradlinigen, kubisch gegliederten Baukörpers und seine Umsetzung in Holzbauweise, die außerdem mit für den Schwarzwald typischen Holzschindeln bekleidet wurde.
„Mit einfachsten Mitteln und Formen wurde in beeindruckender Weise sowohl eine architektonische Skulptur als auch ein Ort des Rückzugs, eine Balance von äußerer Erdung und innerem Schweben geschaffen“, heißt es etwa zum Projekt in der Würdigung der Jury des Hugo-Häring-Preises, mit dem der Bau 2020 ausgezeichnet worden ist.
Im Zentrum der Aussegnungshalle befindet sich der etwa 8,90 m breite und knapp 12 m lange Kapellenraum mit 60 Sitz- und 40 Stehplätzen. Die Sitzplätze befinden sich im 4 m hohen Bereich des Raumes (Unterkante Akustikplatten), dessen Decke die Architekten im hinteren Viertel auf rund 5,80 m angehoben haben. Das lässt den Ansprachebereich mit Rednerpult vom Rest des Kapellenraums aus besonders hell und nach oben geradezu offen erscheinen.
Das Dach des niedrigeren Teils des Kapellenraums kragt mit einer Länge von etwa 4,75 m über den Eingangsbereich aus und bietet damit weitere überdachte Stehplätze. Bei Anordnung und Ausrichtung der Räume war auch die Reduzierung des Verkehrslärms der nahe gelegenen Autobahn ein wichtiger Aspekt. Eingefasst wird der zentrale Bereich des Kapellenraums daher von einer Art schmalen Klammer, die sich durch eine niedrigere Gebäudehöhe absetzt.
Die tragende Konstruktion des überschaubaren Gebäudekomplexes bilden Wand-, Decken- und Dachelemente aus Brettsperrholz (BSP): So bilden die Wand-, Trennwand- und Deckenelemente der Raumklammer eine in sich stabile, selbsttragende Konstruktion. In die U-Form dieser Konstruktion fügt sich der hohe Teil des Kapellenraums ein. Hier bildet die Rückwand mit 9,15 m Breite und 6,05 m Höhe zusammen mit den beiden knapp 3,30 m breiten Schmalseiten ebenfalls eine U-förmige Konstruktion, die ein rund 2 m hoher wandartiger Träger auf der offenen Längsseite – oberkantenbündig mit den Schmalseiten – zu einem Ring schließt. Die Öffnung darunter schafft mit 3,75 m Höhe den raumbreiten Übergang zum Sitzbereich der Kapelle. Den hohen Kapellenbereich schließen BSP-Platten nach oben hin ab. Trotz der Aussparungen für die Lichtkuppeln trägt die Dachscheibe zur Horizontalaussteifung bei. Damit die Lichtkuppeln von außen nicht in Erscheinung treten, erhielt die Dachdecke rundum eine fast ein Meter hohe Aufkantung. So erreicht dieser Gebäudeteil eine Höhe von knapp 7 m.
Die Ausbildung der Wände des niedrigen Teils des stützenfreien Kapellenraums erfolgte aufgrund der großen Fenster mit stützenartigen BSP-Wandstreifen, die auf den beiden Längsseiten durch horizontale BSP-Elemente ergänzt wurden bzw. analog über der Eingangsseite. Eine konstruktive Besonderheit bildet die Decke in diesem Bereich bzw. die tragwerksplanerische Lösung zur Abfangung der Kräfte der großen Auskragung: Hierfür wählten die Ingenieure rund 13,50 m lange Attika-Träger aus Brettschichtholz (BSH, GL 32h). Sie setzen flächenbündig auf den horizontalen BSP-Wandelementen auf und kragen etwa 4,75 m weit über den Eingangsbereich aus. Um die Zugkräfte dieser Auskragung aufnehmen zu können und einem Abheben der Decke entgegenzuwirken, hat man pro Seite jeweils sechs eingeklebte Gewindestangen durch die BSH-Träger hindurch in die Wand-Elemente hinein geführt und dort verankert. Zwischen die BSH- bzw. Attika-Träger wurden BSH-Deckenbalken über Balkenträger eingehängt. Eine 4 cm dicke Kerto-Q-Furnierschichtholzplatte schließt den Raum nach oben ab. Sie fungiert als aussteifende Scheibe. Zusammen mit den übrigen Dachscheiben sorgt sie für die Horizontalaussteifung. Für das Gebäude mussten die Tragwerksplaner außerdem einen Erdbebennachweis führen – es liegt in der Erdbebenzone 1.
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe
Bauvorhaben: Aussegnungshalle in Karlsruhe, Ortsteil Wolfartsweier
Bauherr: Stadt Karlsruhe, Amt für Hochbau und Gebäudewirtschaft, 76133 Karlsruhe
Architekten: Kränzle+Fischer-Wasels Architekten BDA, 76137 Karlsruhe,
www.kraenzle-fischerwasels.de
Tragwerksplanung: Schuler – Ingenieurbüro für Bautechnik, 76185 Karlsruhe, www.ib-schuler.de
Werkstattplanung: die Holzbauplaner, Holzbauplanung Helmschrott, 89428 Staufen-Syrgestein, www.die-holzbauplaner.com
Hersteller BSP-Elemente: Mayr-Melnhof Holz GmbH, A-8700 Leoben, www.mm-holz.com
Schindelfassade: Reimann Holzbau, 72270 Baiersbronn, www.reimann-holzbau-online.de