Die Rennschlittenbahn in Oberhof, einem Erholungsort im Thüringer Wald, wurde 1971 errichtet und 2004 erstmals generalsaniert. Im Zuge des Umbaus und der Modernisierung erhielt die neue Bahnschale 2021 auch eine neue Überdachung aus Holzschalen-Elementen. Verlauf und Geometrie der Bahn ist dergestalt, dass jedes dieser Elemente ein Unikat wurde.
Im Januar 2023 war Thüringens Wintersporthochburg Oberhof zum vierten Mal Gastgeber der
Rennrodel-Weltmeisterschaft. In Vorbereitung darauf sanierte der Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum die Rennschlittenbahn, die 1971 errichtet und 2004 erstmals generalsaniert wurde. Neben der grundlegenden Erneuerung der Gebäude, des Haupteingangs sowie des Zielbereichs erhielt auch die aus Stahlbeton-Segmenten zusammengesetzte Bahnschale eine neue Überdachung aus freigeformten Holzschalenkonstruktionen.
Ursprünglich war die in Oberhof als „Eisschlange“ bezeichnete Bahn zu 75 Prozent mit Elementen aus Stahl überdacht und erfüllte in großen Bereichen nicht mehr die Anforderungen an den Betrieb einer Rodelbahn. Die Stahlkonstruktion verursachte zudem Kondensat und damit Tropfwasser, was die Qualität der Bahn stark beeinträchtigte. Die neue Holzkonstruktion reduziert dies künftig auf ein verträgliches Minimum.
Die Rennschlittenbahn hat eine maximale Wettkampflänge von 1070 m und eine Gesamtlänge von 1354,50 m. Dabei überbrückt sie einen Höhenunterschied von etwa 96 m, hat 14 Kurven sowie eine weitere, nach der Generalsanierung 2004 hinzugefügte Kurve im Auslauf nach dem Ziel.
Die beauftragten Büros sprachen sich bereits im Rahmen des VOF-Verfahrens für eine Ausführung der neuen Überdachungen in Holz mit relativ weit gespannten Bereichen aus. Im Pflichtenheft standen außerdem der Schutz vor (Schlag-)Regen, Schnee, Wind und Sonne. Neben der Minimierung der erwähnten Kondenswasserbildung hatte die Überdachung auch die Minimierung der Kälteabstrahlung beim Eisherstellen und bei der Nutzung zu gewährleisten, und nicht zuletzt eine maximale Sichtfreiheit für die Zuschauer und die TV-Übertragung während der Wettkämpfe. Sie sollte zudem ansprechend gestaltet sein. Weitere Randbedingungen ergaben sich aus der begrenzten Zeit für die Montage auf der Baustelle, unter anderem auch deshalb, weil während der Bauzeit Einzelwettkämpfe möglich sein sollten.
Entgegen dem ursprünglichen Wunsch nach einer reinen Holzkonstruktion entschieden sich die Tragwerksplaner – nicht zuletzt auch wegen der Montagebedingungen – für eine hybride Ausführung der Schalenelemente aus Holz und Stahl. Klar war auch, dass die kurze Bauzeit bzw. die sehr kurzen Montagezeiträume einen hohen Vorfertigungsgrad der Elemente erforderlich machten, denn der Zusammenbau konnten nur innerhalb der trainings- und wettkampffreien Zeit zwischen März und September erfolgen.
Die Vorfertigung der einzelnen Abschnitte der Bahnüberdachung erfolgte vollständig im Werk. Die Grundgeometrie der freigeformten Schalenflächen und die damit hochkomplexe Konstruktion der Einzelelemente erforderten eine minutiösen Vorplanung, damit sie nach der Vorfertigung sowohl in sich als auch im Gesamten zusammenpassen. Dasselbe galt für die Fertigung der Schottbögen per Roboter, der Verklebung und dem Abbund der bis zu fünflagigen und zum Teil doppelt gekrümmten Baufurniersperrholz(BFU)-Schale und schließlich dem Einbau der Stahlteile für die Kopplung der Elemente auf der Baustelle.
Rundum verpackt wurden die knapp 300 Dachschalen-Elemente mit einer Einzelfläche von bis zu 18 m2 zur Baustelle gebracht. Die große Zahl an Unikaten des 4500 m2 großen Dachtragwerks war nicht zuletzt auch eine organisatorische und logistische Herausforderung. Durch die topografischen Gegebenheiten waren die Platzverhältnisse an der Rodelbahn zudem sehr beengt.
Über einen direkt an der Rodelbahn platzierten Kran wurden die Dachschalen zunächst an die richtige Position gehoben und so justiert, dass sie exakt montiert werden konnten. Selbst geringe Differenzmaße zwischen Neubau und Bestand im Bereich von 30 mm bis 50 mm konnten geplant und die Übergänge auf der Baustelle problemlos ausgeführt werden.
Nach Fertigstellung der Überdachung zeigt sich die Anlage weitestgehend stützenfrei. Damit erfüllt sie die modernsten Ansprüche und den Wunsch des Bauherrn nach maximaler Sichtfreiheit. Die erste offizielle Gelegenheit, die rundum erneuerte Rennschlittenbahn zu testen, bot die Weltmeisterschaft im Januar 2023.
Dr.-Ing. Josef Trabert, M.Sc. Kilian Busch, Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag
Bauvorhaben: Umbau und Modernisierung Rennschlittenbahn Oberhof, 98559 Oberhof
Bauherr: Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum (TWZ) Oberhof, 98559 Oberhof, www.zv-twz.de
Architekten: HSP HOFFMANN.SEIFERT.PARTNER architekten ingenieure, 98527 Suhl, www.hsp-plan.de
Tragwerksplanung und 3D-Modellierung: TRABERT + PARTNER, 36419 Geisa, www.trabert.de
Werkstattplanung Ingenieurholzbau und Fertigung: ZÜBLIN Timber GmbH, 86551 Aichach, www.zueblin-timber.com
Montage (Holzüberdachung): ZÜBLIN Timber GmbH, STRAB Ingenieurholzbau Hermsdorf GmbH, 07629 Hermsdorf, www.strab-holz.de
Montagepartner: BENNERT GmbH, 99102 Klettbach, www.bennert.de