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Das Luftbild des „Globe Theaters“ zeigt auch die innenliegende Dachterrasse des viergeschossigen Rundbaus. Für den Blick von innen nach außen hat man die Abstände der Fassaden-Lamellen über dem Eingangsbereich groß gewählt. Dieser öffnet sich innen nach oben über alle Geschosse. (Bildquelle: Ingenieurgruppe Knörnschild & Kollegen)
Rundum rundes Theater in Holz

Globe-Theater Coburg

Mit dem neuen „Globe Theater“ hat Coburg seit Oktober 2023 ein Highlight der besonderen Art. Das Gebäudeensemble aus vier Baukörpern in Holzbauweise dient während der Sanierung des Landestheaters als Interimsspielstätte, soll aber auch danach weiterhin für Veranstaltungen genutzt werden.

Coburg hat seit Herbst 2023 einen neuen Theaterbau als Übergangslösung für die Zeit der Generalsanierung des altehrwürdigen Landestheaters im historischen Stadtzentrum. Das Gebäudeensemble aus einem Haupt- und drei Nebengebäuden befindet sich zentrumsnah auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs. Dabei ragt der eigentliche Theaterbau, das Globe Theater, als Rundbau markant in die Höhe. Die drei Nebengebäude schließen an den Hauptbau hintereinander an und sind durch einen verglasten Verbindungsgang miteinander verbunden.

Studenten gewinnen mit kühnem Entwurf aus alter Zeit

Die Idee für den runden Theaterbau hatten zwei Coburger Architekturstudierende. Ihr Entwurf ist an das elisabethanische Globe Theatre in London angelehnt und ging als Sieger aus einem Studentenwettbewerb hervor. Der viergeschossige Rundbau mit einem Durchmesser von 36 m und eine Höhe von 18 m beherbergt in seiner Mitte den dreigeschossigen Theatersaal, der von den Foyers sowie im zweiten Obergeschoss von Nebenräumen umgeben wird. Im dritten Obergeschoss befindet sich über diesem Saal eine innenliegende Dachterrasse mit einem Durchmesser von 14 m. Vorbereitungsräume umschließen sie in einem Teil des äußeren Rings.
Im Erdgeschoss des Theatersaals sind die Drehbühne und der Zuschauersaal sowie der in der Höhe verstellbare Orchestergraben angeordnet. Im ersten und zweiten Obergeschoss befinden sich die Zuschauerränge. Betritt man den Eingangsbereich, öffnet sich der Raum nach oben über alle Geschosse und wird beidseitig von repräsentativen offenen Treppenhäusern aus Holz flankiert.
 

Das Kulissenlager verbindet den Rundbau wie ein Scharnier mit den Nebengebäuden. Um einen Brandüberschlag zu verhindern, wurde es in Stahlbeton ausgeführt.

Da das gesamte Gebäude nach der Zeit als Ausweichspielstätte auch weiter für Veranstaltungen genutzt werden soll, aber noch offen ist, für welche genau, galt es von vornherein, das Tragwerkskonzept maximal flexibel zu gestalten. Und so sind die drei Zweigeschosser als Skelettbauten aus Brettschichtholz-Stützen und -Trägern in Kombination mit Brettsperrholz-Decken ausgeführt. Ihr stringentes Konstruktionsraster mit einem Rastermaß von 2,50 m ermöglicht es, die Grundrisse bedarfs- und nutzungsbezogen einzuteilen bzw. sie immer wieder anzupassen und zu ändern.

Theaterbau mit unterspannter Konstruktion für innenliegende Dachterrasse

Der viergeschossige Theaterbau ist vom Erdgeschoss bis zum Dachgeschoss überwiegend ein Holzbau. Er steht auf einem Untergeschoss aus Stahlbeton. Auch die beiden Flucht-Treppenhäuser neben der Bühne sind als Fluchtwege und zur Gebäudeaussteifung aus Stahlbeton. Für die Außen- und Innenwände sowie das Dach war Brettsperrholz das Material der Wahl, bei den Geschossdecken setzten die Tragwerksplaner auf eine Holz-Beton-Verbund-Konstruktion. Den oberen Abschluss des Theatersaales bildet ein unterspanntes System aus sternförmig angeordneten Stahlträgern und Zwickelausfachungen aus Brettsperrholz, um die darüber befindliche, innenliegende Dachterrasse im dritten Obergeschoss als begehbare Freifläche zu ermöglichen.

Die Vertikallasten des Gebäudes leiten überwiegend die vier äußeren Geschoss-Ringe der Gebäudehülle aus 22 cm dicken Brettsperrholz-Wänden ab, sowie die parallel dazu verlaufenden, polygonal angeordneten, ebenfalls 22 cm dicken Wände der inneren Teil-Ringe der Geschosse. Während die in den Theatersaal hinein auskragenden Geschossdecken im ersten und zweiten Obergeschoss als Zuschauerränge fungieren, dient die mit über 3 m größte Auskragung im dritten Obergeschoss als Nutzfläche für die Vorbereitungsräume.

Das Hauptgebäude mit den drei aneinander gereihten Nebengebäuden – alle überwiegend in Holzbauweise – und der Zwischenbau (Kulissenlager) als „Scharnier“ zwischen beiden aus Brandschutzgründen (gegen Brandüberschlag) in Stahlbeton. (Bildquelle: Ingenieurgruppe Knörnschild & Kollegen GmbH)
Querschnitt durch den Theaterbau, dem Hauptgebäude, mit auskragenden Decken als Zuschauerränge und unterspannter Deckenkonstruktion für die Dachterrasse über dem Theatersaal. Die lichte Geschosshöhe von EG, 1. und 2. OG beträgt 3,77 m. Die Decke über dem 2. OG kragt 3,18 m bis zur unterspannten Terrassendecke aus. (Isometrie: Ingenieurgruppe Knörnschild & Kollegen GmbH)
Blick in den Luftraum im Eingangsbereich mit den beidseitig angeordneten Treppenhäusern in Holzbauweise (Bildquelle: Kaden+)
Die achteckige Decke für die Dachterrasse bildet eine unterspannte Stahlkonstruktion mit Brettsperrholz-Ausfachungen, die vor Ort montiert wurde. (Bildquelle: ZÜBLIN Timber)

Holz-Beton-Verbund-Decken im Trockenbau-Verfahren

Eine Besonderheit stellt unter anderem die Holz-Beton-Verbund-Decke im Trockenverbund dar: Dabei kamen 10 cm dicke Betonfertigteilplatten auf 30 cm dicken Brettsperrholz-Platten zum Einsatz. Sogenannte Fertigteilverbinder (FT-Verbinder) ermöglichen die Herstellung des trockenen Verbunds in Kombination mit selbstbohrenden Schrauben. Dabei dient der FT-Verbinder als Platzhalter beim Betonieren der Fertigteilplatte und später zudem als Führungshülse für die einzudrehende Schraube.

Der Hauptgrund für die Wahl des Trockenbau-Verfahrens lag darin, den Holzbau möglichst keiner Feuchtigkeit auszusetzen. Auch waren die Decken nach Herstellung des Verbunds sofort belastbar und der Bauprozess konnte stetig fortgesetzt werden. Mit der Idee, die Holzdecke und die Betonplatten trocken zu verbinden, ließen sich zudem die Gewerke „Holzbau“ und „Betonbau“ trennen.

Gebündelte Kompetenz führte zum gewünschten Ergebnis

Die optimale Zusammenarbeit der Planungsbüros und aller am Bau Beteiligten machte das hochkomplexe Projekt zu einer guten Erfahrung für alle. Seit Eröffnung der neuen Spielzeit 2023/2024 im Oktober füllen die Besucher den Neubau mit Leben und bewegen sich darin, als wäre er schon immer da.
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Rohbau mit innerem Teil-„Ring“ aus polygonal angeordneten Wandelementen im dritten Obergeschoss. Gut zu sehen: Der stählerne Druckring (schwarz) auf Wandkronenhöhe mit Brettschichtholz-Druckstreben. (Bildquelle: Ingenieurgruppe Knörnschild & Kollegen GmbH)
Anschluss der Druckstreben an den Stahldruckring oben und den Zugring unten. Zwischen den Brettschichtholz-Druckstreben ist jeweils eine Brettsperrholz-Wand als Schott eingefügt. (Bildquelle: Ingenieurgruppe Knörnschild & Kollegen GmbH)
Stahlteil zum beidseitigen Anschluss des Zugring-Stahlblechs bzw. zum Anschluss der zweiteiligen Brettschichtholz-Druckstreben. (Bildquelle: Ingenieurgruppe Knörnschild & Kollegen GmbH)
Luftaufnahme vom dritten Geschoss während des Verlegens und Verschraubens der tortenförmigen Betonfertigteile (Bildquelle: Ingenieurgruppe Knörnschild & Kollegen GmbH)
FT-Verbinder koppeln die BSP-Platte mit der Betonfertigteilplatte und sorgen für die Schubkraftübertragung der übereinander angeordneten Bauteile. (Bildquelle: ZÜBLIN Timber)
(Bildquelle: SWG Schraubenwerk Gaisbach GmbH – Geschäftsbereich Produktion)
Der Verbund zwischen Beton-Fertigteil- und Holzplatte zu einer schubfesten HBV-Decke erfolgt trocken über die Verschraubung durch die einbetonierten FT-Verbinder hindurch. (Bildquelle: Christoph Dünser / Architekten Hermann Kaufmann)

Projektdaten im Überblick:

Bauherr: Stadt Coburg, D-96450 Coburg
Initiator: Globe Coburg GmbH, D-96450 Coburg
BGF gesamt: 7.970 m2, davon Theaterbau: 5.100 m2
Baukosten: ca. 24 Mio. Euro
Fertigstellung: Oktober 2023
Architekten:
Lph. 1-4:
Glodschei Architekten & Stadtplaner, D-96479 Weitramsdorf (Generalplanung), www.glodschei.de;
Projektsteuerung: Eichhorn + Partner Architekten mbH in Zusammenarbeit mit kappes ipg GmbH, D-70597 Stuttgart, www.kappes-partner.com
Lph. 5-9:
Eichhorn + Partner Architekten mbH, D-96450 Coburg, www.architekt-eichhorn.de in Kooperation mit Kaden+Lager GmbH (heute Kaden+ und LagerSchwertfeger, beide Berlin),
Ansprechpartner: Kaden+ GmbH, D-10178 Berlin, www.kadenplus.de

 

 

Tragwerksplanung inkl. Anschluss- und Fassadenstatik/ Brandschutz/ SiGeKo: Ingenieurgruppe Knörnschild & Kollegen GmbH, D-96450 Coburg,
www.ig-knoernschild.de
Prüfingenieur Standsicherheit: Ingenieurbüro BE Ingenieure GmbH, D-76227 Karlsruhe, www.be-ingenieure.com
Bauphysik: Müller-BBM Industry Solutions GmbH, D-82152 Planegg/München, www.muellerbbm.de
TGA: Helfrich Ingenieure Projektierungsgesellschaft mbH, D-97688 Bad Kissingen, www.ing-helfrich.de
Bühnenplanung: Walter Kottke Ingenieure GmbH, D-95448 Bayreuth, www.bwki.de
Bauausführung Holzbau: ZÜBLIN Timber GmbH, D-86551 Aichach, www.zueblin-timber.com
Bauausführung Massivbau: Angermüller Bau GmbH, D-96253 Untersiemau, www.angermueller.de